Auf Grund der großen Nachfrage nach dem aktuellen Artikel von Doc Tom in der österreichischen Sport- & Präventivmedizin Zeitschrift haben wir beschlossen, den Artikel auch an dieser Stelle noch einmal zu veröffentlichen. Das Heft bekommt ihr bei Interesse hier. Viel Spaß beim Lesen!
Schmerzbedingte Probleme im Bereich der Achillessehne sind nicht nur eine der häufigsten und langwierigsten Beschwerdebilder im Laufsport, sondern auch jene, die oft am schwierigsten zu behandeln sind, da die Ursachen dafür sehr vielfältig sein können. Das Wichtigste bei Achillessehnenbeschwerden des Läufers ist zweifellos, die Ursache zu erkennen und zu beseitigen, da nur dadurch eine entsprechend zielorientierte und suffiziente Therapie und damit ein langfristiger Erfolg bzw. Beschwerdefreiheit erzielt werden können. Die Ursachen sind aber leider auf einen ersten oder nur kurzen Blick nicht immer sofort erkennbar.
Eine der häufigsten Gründe für Achillessehnenbeschwerden sind vor allem das zu schnelle Steigern von Laufumfängen und/oder Laufintensitäten. Vor allem der Bereich des Sehnenansatzes am Fersenbein (mit dem darunterliegenden Schleimbeutel) und der Übergangsbereich vom Wadenmuskel zum sehnigen Anteil sind dafür Prädilektionsstellen.
Auch eine falsche Schuhwahl kann Auslöser für Achillessehnenbeschwerden sein. Hier sind vor allem LäuferInnen betroffen, die zu schnell oder untrainierterweise Schuhe mit einer zu geringen Sprengung verwenden. Insbesondere das anfänglich zu lange Laufen mit Barfusslaufschuhen, die derzeit einen Trend erleben und oft fälschlicherweise als „normale“ Laufschuhe verwendet werden, können Beschwerden verursachen, wenn die Wadenmuskulatur dafür nicht ausreichend trainiert und muskulär vorbereitet wurde.
Ich selbst empfehle Barfusslaufschuhe ausschließlich zum kurzen Ein- und Auslaufen, zum Lauftechnik- und Laufkrafttraining sowie zum – zeitlich limitierten – Gehen im Alltag (um damit die Unterschenkelmuskulatur und das Fussgewölbe zu trainieren) – allerdings nicht zum Laufen selbst.
Auch die Lauftechnik des betroffenen Sportlers muss bei Achillessehnenbeschwerden genau analysiert werden. Vor allem ein exzessiver Vorfusslaufstil, ebenso wie ein Fersenlaufstil können sehr oft Auslöser für Achillessehnenbeschwerden sein. Hier muss gegebenenfalls die Lauftechnik optimiert oder gar umgestellt werden – am Besten auf einen Mittelfusslaufstil, da dieser nachgewiesener Maßen der schonendste Laufstil ist und die Achillessehne (durch eine Entlastungsphase im Laufzyklus über das kurze Abstellen der Ferse) weniger belastet.
Eine weitere Ursache für Achillessehnenbeschwerden können auch Verhärtungen und Verkürzungen in der Wadenmuskulatur sein. Diese entstehen oft durch fehlende „Muskelhygiene“ oder sind auch durch einen zu hohen Faszientonus bedingt. Sind die Faszien, muskelumhüllende und stützende Bindegewebsstrukturen des Körpers, zu rigide, kann die Muskulatur nicht mehr richtig arbeiten und es kommt zu einer Überbeanspruchung und Überreizung der Sehnen und Sehnenansatzstrukturen des entsprechenden Muskels (so sind zB sehr viele Achillessehnenbeschwerden auch mit einem zu hohen Tonus der Plantarfaszie vergesellschaftet).
Auch ein zu geringes Flüssigkeitsmanagement durch zu wenig Flüssigkeitsaufnahme kann eine Ursache für eine Verhärtung der Faszienstrukturen sein.
Asymmetrien in der Unterschenkelmuskulatur, die nur sehr schwer zu diagnostizieren sind und Ihre Ursache meist ganz woanders haben (zB durch Blockierungen im Becken und Lendenwirbelsäulenbereich oder Verkürzungen im Bereich der Hüftmuskulatur durch tägliches langes Sitzen), können ebenfalls Auslöser für Schmerzen und Reizungen im Bereich der Achillessehne sein.
Man sieht, die mögliche Ursachenliste ist lang und gerade bei bereits länger bestehenden Beschwerden und bisher frustranen Therapieversuchen wird oft sehr viel Erfahrung – auch im Bereich der Biomechanik des Laufens und auf manualtherapeutischer Ebene – benötigt, um die entsprechende Ursache definitiv eruieren und schlussendlich auch suffizient behandeln zu können. Manchmal ist dafür zusätzlich auch eine aufwendige medizinische Ganzkörperlaufanalyse notwendig, die am besten durch einen erfahrenen Mediziner und Laufanalysten durchgeführt wird.
Bei länger bestehenden Beschwerden, empfehle ich allerdings auch den strukturellen Zustand des „Beschwerdegebietes“ genau abzuklären, um etwaige Veränderungen in der Sehnenstruktur (zB entzündlich, degenerativ, etc.) und gegebenenfalls mitbeteiligte Gewebsstrukturen (zB Schleimbeutel, Knochenhaut, Sehnenscheide, etc.) feststellen zu können, die wichtig für die weitere Therapie sind.
Eine solche Abklärung gelingt am besten durch eine Magnetresonanztomographie oder Sonographieuntersuchung.
Vor Beginn jeglicher Therapie sollte auf jeden Fall die exakte Ursache vollends geklärt werden, um eine sinnvolle und zielführende Therapie durchführen zu können, da es ansonsten zu einer reinen Symptomatikbehandlung kommt und die Beschwerden nach Absetzen der entsprechenden Medikation und Therapie in den meisten Fällen schnell wieder aufflammen.
Sollte sich unter anderem eine entzündlich bedingte Veränderung der Sehnenstruktur oder beteiligter Weichteil- und Knochengewebe zeigen, ist eine zusätzliche temporäre schmerz- und entzündungshemmende Therapie sicherlich sinnvoll. Diese sollte allerdings einen Behandlungszeitraum von 14 Tagen nicht überschreiten.
Ich empfehle in solchen Fällen in der Akutphase eine lokale Voltarenapplikation, wobei man das Voltarengel selbst mehrmals täglich mit einer weichen Zahnbürste vorsichtig im Bereich der schmerzenden und entzündeten Stellen einmassiert.
Auch eine lokale Kältetherapie ist in der Akutphase in den ersten Tagen sinnvoll – ebenso lokale Topfenumschläge bei Schwellungen. In besonders schmerzhaften Fällen kann auch ein schmerzstillendes und entzündungshemmendes Mittel für etwa 7 Tage oral eingenommen werden, dies sollte allerdings nur nach ärztlicher Anweisung erfolgen.
Eine physikalische Therapie in Form von Strom- oder Ultraschalltherapie kann unter Umständen zusätzlich durchgeführt werden, ist erfahrungsgemäß allerdings als alleinige Therapie bei Achillessehnenbeschwerden nicht zielführend.
Ich empfehle auf jeden Fall – neben einer Laufpause in der Akutphase – eine intensive und konsequente Physiotherapie, um die meistens in solchen Fällen bestehenden Verhärtungen in der Waden- und Unterschenkelmuskulatur bzw. die gereizten Strukturen zu behandeln. Diese Behandlungen sollten durch einen erfahrenen Sportphysiotherapeuten erfolgen, der auch auf dem Gebiet der Faszientherapien (FDM) und Manualtherapie ausgebildet und versiert ist, um entsprechende Blockierungen lösen und Gelenksmobilisierungen durchführen bzw. die mitbetroffenen Faszienstrukturen spezifisch mitbehandeln zu können. Leider ist diese Therapie oft etwas schmerzhaft und kann in der Anfangsphase durch eine posttherapiebedingte Reaktionsphase sogar zu einer kurzzeitigen Verschlechterung der Beschwerden führen. Auch Friktions-, Triggerpunkt- und Detonisationsbehandlungen müssen durch den Physiotherapeuten bei den Therapien durchgeführt werden.
Sowohl SportlerIn wie auch TherapeutIn sollten also auf jeden Fall die Faszienstrukturen nicht vernachlässigen – hier steht vor allem die Detonisation der beteiligten Faszienstrukturen im Vordergrund. Ganz wichtig dabei ist, dass nicht nur die Faszienstrukturen im Unterschenkelbereich behandelt werden, sondern auch die Plantarfaszie, die sehr oft ein großer Mitverursacher von Achillessehnenbeschwerden ist, aber leider kaum beachtet wird.
Der betroffene SportlerIn kann dies durch ein sogenanntes selbständiges myofasziales Release zB mit der Blackroll (bzw Mini-Blackoll oder einen Golfball für die Plantarfaszie) zu Hause mehrmals täglich durchführen. Eine diesbezügliche Anleitung sollte durch den Physiotherapeuten erfolgen.
Erst nach entsprechender Detonisation und Lockerung der Faszienstrukturen ist ein Dehnen der betroffenen Muskelstrukturen sinnvoll und zielführend.
Auch ein exzentrisches Wadenkrafttraining gehört zur täglichen „Muskelhygiene“, die der SportlerIn einfach durchführen kann, allerdings auch konsequent und langfristig absolvieren muss – um später auch im schmerzfreien Zustand eine entsprechend präventive „Muskelhygiene“ suffizient durchzuführen und das Risiko für Verletzungen und Überbelastungsbeschwerden zu verringern.
Zusätzlich können gewisse therapieergänzende Supplemente zu einer rascheren Heilung beitragen, allerdings sind diese nur in den seltensten Fällen als alleinige Therapie zielführend. Hierzu gehören vor allem Wobenzym (unterstützt und beschleunigt die Rückbildung von Entzündungen) und Prolysin (ein essentieller Bestandteil der Kollagensynthese zur Stärkung der Sehnenstruktur).
Ein sehr wichtiger Punkt ist darüber hinaus auch die ausreichende tägliche Flüssigkeitszufuhr von ca 2-3 Liter Wasser/Tag, damit sich genügend Flüssigkeit in den entsprechenden Faszien- und Muskelstrukturen einlagern kann und diese dadurch flexibler und elastischer werden.
Nach Abklingen der akuten Beschwerdesymptomatik sollte vor Wiederaufnahme des Laufsports mit dem entsprechenden Muskel- und Aufbautraining zum Ausgleich eventuell vorhandener muskulärer Dysbalancen begonnen und die Lauftechnik optimiert werden. Am Besten geschieht dies in Zusammenarbeit mit einem Personal Trainer bzw. Lauftrainer, der die richtigen Bewegungsabläufe zumindest anfänglich kontrolliert und auch die entsprechend notwendigen Übungen korrekt anleitet.
Erst danach sollte man wieder langsam mit dem Lauftraining beginnen, wobei hier vor allem auf eine sehr langsames Steigern der Laufumfänge und -Intensitäten zu achten ist.
Zusätzlich ist gerade anfänglich zu Laufschuhen mit einer etwas höheren Sprengung zu raten, um die Achillessehne zu entlasten. Allerdings ist dabei gleichzeitig aufzupassen, dass man dadurch nicht in einen zu ausgeprägten Fersenlaufstil verfällt.
Mit Zunahme des Laufpensums und Muskeltrainings (vor allem der Bein- und Wadenmuskulatur) kann mit der Zeit – eine Beschwerdefreiheit beim Laufen vorausgesetzt – auch die Sprengung der Laufschuhe wieder reduziert werden.
Damit sollten man bei konsequenter Therapie und Training wieder beschwerdefrei und mit Spaß Laufen können.
Keep on Running,
Doc Tom
Hallo Doc Tom,
habe mit großem Interesse deinen Artikel zur Achillessehnen-Problemen gelesen.
Seit nun ein paar Jahren (ich bin 48) Plagen mich – mal mehr mal weniger – Achillessehnen-Schmerzen, die mich zur Reduzierung bzw. Einstellung meiner Leidenschaft zum Laufen und Triathlon zwingen.
Gibt es deinerseits einen Tipp (Einlegesohlen, welche?) der mich wieder uneingeschränkt, mit Spaß, Lust & Laune laufen lässt. Der (gut gemeinte) Rat, bereits auch von diversen Ärtzen öfters ausgesprochen, das Laufen mal für eine gewisse Zeit ganz einzustellen, hat auch (noch) nicht zum gewünschten Erfolg geführt.
Schon mal danke vorab, liebe Grüße,
-alex-
Lieber Alex,
speziell angefertigte Einlegesohlen und andere Hilfsmittel können in manchen Fällen einen positiven Verlauf unterstützen, allerdings muss man sich das im Einzelfall ansehen. Leider sind Ferndiagnosen und -tipps hier schwierig. In unserer LaufSport- und Gelenkspraxis in Wien nehmen wir uns viel Zeit für unsere PatientInnen, um auf Basis einer gründlichen Anamnese und Untersuchung Lösungen zu finden, selbst wenn die Beschwerden schon länger bestehen. Bei Bedarf also am besten einen Termin ausmachen.
Liebe Grüße & gute Besserung,
Vera
Vielen Dank Vera, Wien ist leider ‚nicht um die Ecke‘, aber ich bleibe hier weiter am Ball.
Liebe Grüße alex
Alles alles Gute!