Ich weiß, ich weiß, Laufen und Nordic Walking ist eine Kombi, die nicht gerade bei vielen beliebt ist. Läufer können sich für gewöhnlich relativ schlecht dafür begeistern, auch mal mit „Stöcken“ zu gehen. Warum walken, wenn man auch laufen kann? Diese Einstellung finde ich grundsätzlich absolut nachvollziehbar. Ein Läufer ist ein Läufer und will kein Walker sein. Allerdings möchte ich heute einmal einen anderen Gedanken forcieren, der vielleicht den ein oder anderen Läufer umdenken lässt.
Es geht nämlich nicht darum, zu walken, weil man nicht Laufen kann, sondern zu walken, weil man seinen unteren Grundlagenbereich so sehr gut und sicher trainieren kann. Außer man gehört zu der kleinen Gruppe an Hobby-Läufern, die immer – egal wie viele andere LäuferInnen sie auch überholen mögen – brav bei ihrem sehr gemählichem Tempo bleiben und sich durch NICHTS und NIEMANDEN dazu hinreißen lassen, sich aus ihrem sehr niedrigem Herzfrequenzbereich zu bewegen. Was auch bedeutet, bei leichten Steigungen noch langsamer zu laufen oder zwischendurch schon fast zu gehen. Oder andere wesentlich unfittere Läufer an einem vorbeiziehen zu lassen, auch wenn man „eigentlich doch viel schneller wäre“ und der andere sicher eh schon bereits in seinem GA2-Bereich läuft.
Nicht selten lassen sich Läufer daher dazu hinreißen, doch „ein kleines bisschen“ schneller zu laufen als sie es bei diesen langsamen GA1-Einheiten tun sollten. In solchen Fällen hat Nordic Walking einen entscheidenden Vorteil: man ist durch die Stöcke gezwungen, beim Walken zu bleiben. Man kann sich zwischendurch nicht umentscheiden, doch auch schneller zu laufen, weil man nicht ständig von vermeintlich Unsportlicheren überholt werden will. Dafür kann man dabei sogar ein gutes Tempo anschlagen und hat das Gefühl, zumindest im Rahmen dieses Fortbewegungsstils schnell unterwegs zu sein. Und man ist angenehm erfrischt und überhaupt nicht müde, wenn man wieder zuhause ankommt. Das Wichtigste ist aber: man ist 60, 90, 120 oder mehr Minuten in der unteren GA1-Zone geblieben. Daher halte ich eine solche Einheit pro Woche für durchaus sinnvoll. Und nicht zuletzt trainiert man somit auch abwechslungsreich und dennoch in der frischen Luft.
Da diese Einheit sehr gemütlich und schonend ist, können ruhig 3-4 weitere richtige Laufeinheiten pro Woche absolviert werden (sofern man bereits Lauferfahrung hat!). Hier geht es einzig und allein darum, auch mal länger im untersten GA1-Bereich zu bleiben. Dazu würde ich – je nach individuellem Ziel – beispielsweise noch eine lange Einheit laufend im mittleren GA1-Bereich, eine knackig-kurze im GA2-Bereich und ein Intervalltraining empfehlen und fertig ist eine abwechslungsreiche Lauftrainingswoche (Kraft-, Stabi- und Alternativtraining noch nicht inkludiert).
Es ist mir bewusst, dass v.a. Männer sehr schwer davon zu überzeugen sind, walken zu gehen. Hier rate ich dann aber dazu, während des Trainings wenigstens zwischendurch auch mal – wenn auch ohne Stöcke 😉 – ein paar Meter zu gehen oder das Tempo so stark herauszunehmen, dass man wirklich in den vorgesehenen Zonen bleibt, auch wenn es ein bisschen aufwärts geht oder andere Umstände den Puls in die Höhe treiben ;-).
Wie auch immer – vielleicht probiert ihr es einfach mal aus ;-). Ich gebe zu, ich selbst hätte es ebenso nicht für möglich gehalten, dass es mir gefallen würde, aber jetzt muss ich sagen, dass ich diese ruhige, so andere Einheit als Abwechslung gar nicht schlecht finde. Und die Blicke meiner Mitmenschen amüsieren mich mittlerweile richtig. Von dem fragenden Ausdruck in den Augen („Ist Nordic Walking wieder in?“) bis hin zu aufmunterndem Nicken von den mir entgegenkommenden Läufern („Wirst sehen, bald kannst auch du laufen!“) ist alles dabei *g*. Man fällt definitiv auf. V.a. wenn man unter 30 ist ;-). Trotzdem: ich kann es nur empfehlen. Für LäuferInnen, die sich damit sanft zwingen können, auch mal sehr langsam unterwegs zu sein (dafür länger ;-)) genauso für Wiedereinsteiger und natürlich für alle, die schon lange anfangen wollten.
Ja, es ist kein Training, bei dem man wahnsinnig viele Kalorien verbrennt und ja, es gibt sicher auch Effektiveres, wenn es um die Steigerung der VO2max geht, ABER als Grundlagentraining ist es durchaus sinnvoll und das ist es ja, was im Winter v.a. bei Saisonsportlern im Vordergrund steht. Wenn es jemandem hilft, somit in „seiner Zone“ zu bleiben, dann haben eben auch Stöcke ihre Berechtigung :-).
Vera