Leiden, Tod und Abschied nehmen sind nicht gerade die Themen, die wir Menschen gerne in den Mittelpunkt stellen, aber sie gehören früher oder später zum Leben dazu.
Ich habe in den letzten Jahren öfter mit Leid, persönlichen Verlusten und Todesfällen in der Familie zu tun gehabt und weil ich aus eigener Erfahrung weiß, wie schwierig es sein kann, v.a. wenn es mehrere Leidens- und Trauerfälle in relativ kurzer Zeit gibt, möchte ich es hier am Blog zum Thema machen, da es sicherlich vielen ähnlich ergangen ist, ergeht oder vielleicht in Zukunft ergehen wird.
In tiefer Trauer
Unser letzter Trauerfall, der Verlust unseres Hundes Achilles, der für uns ein vollwertiges Familienmitglied war und um den wir Monate lang mit allen Mitteln gekämpft hatten, ist nun knapp drei Wochen her und die intensivste Phase ist soweit überstanden, aber es fließen immer noch nahezu täglich Tränen. Besonders dann, wenn Flashbacks an bestimmte Momente aufkommen oder jemand aus dem Umfeld viel Mitgefühl zeigt, was erstaunlich oft vorkommt. Ich hätte mir nie gedacht, wie viele Menschen aus dem direkten und indirekten Umfeld mit uns mitfühlen würden. Aber wer uns und unseren Hund kannte, hat auch gewusst und gespürt, was für eine Bindung da war. Und Achilles war generell unheimlich einnehmend, ob in der Familie, im Freundeskreis, in der Nachbarschaft oder unterwegs im Alltag oder auf Reisen.
Das vorherrschende Mitgefühl ist sehr berührend und hilft immens. Ich bin sehr dankbar, dass unsere Familien, Freunde, Nachbarn, Patienten und Klienten so reagiert haben und reagieren, wie sie es getan haben. Man würde denken, dass gerade Menschen, die selbst keinen Hund haben oder niemals einen hatten, womöglich nicht verstehen können, was es heißt, einen noch recht jungen Hund auf diese Art zu verlieren, aber es verwundert uns wirklich nahezu täglich, wer und wie man uns sein Mitgefühl ausspricht, weil Achilles irgendwie allen fehlt und es für viele, v.a. auch für die Kinder in unserem Umfeld, ein Schock ist, dass er nun nicht mehr da ist.
Einerseits ist für uns der Verlust brutal, auch wenn wir wissen, dass wir alles Menschenmögliche getan haben. Andererseits war besonders auch die Entscheidung ihn gehen zu lassen die Schwierigste, die ich je in meinem Leben treffen musste. Wenn man für jemanden die Verantwortung trägt und eine intensive Bindung hat, ist ein Ausgang wie dieser einfach sehr sehr hart. Wir waren bis zu seinem allerletzten Atemzug bei ihm und auch das wird mir immer in Erinnerung bleiben.
Womit ich mir zudem unheimlich schwer tue, ist die Tatsache, dass auch er so viel leiden musste und er das einfach nicht verdient hat. Es tut mir einfach so unendlich leid für ihn, dass ihm niemand helfen konnte. Er war ein bezauberndes Lebewesen, das niemandem etwas zu leide getan hat, sondern so vielen so viel Freude gebracht hat. Wenn ich allein daran denke, wieviele Menschen durch ihn ihre Angst vor Hunden verloren haben. Die ihn nicht nur als Hund, sondern als vollwertiges Familienmitglied, Nachbarn, Laufpartner oder Begleiter gesehen haben…
Auch unsere Katzen vermissen ihn sehr. V.a. Diego, der ihn vor dem letzten Gang zum Tierarzt bis zur Haustür begleitet hat. Der die ersten Tage nach seinem Tod selbst krank wurde. Der ihn tage- und nächtelang schreiend überall gesucht hat und bis jetzt noch die Hoffnung zu haben scheint, dass das Bellen im Freien sein Freund sein könnte.
Prägende Jahre
Die letzten Jahre waren auf Seiten meiner Familie intensiv. Natürlich gab und gibt es generell im Leben immer Krankheitsfälle, Abschiede und Trauerfälle, aber speziell in den letzten fünf Jahren waren da plötzlich viele schwere Erkrankungen, lange Leidenswege, Behandlungen, Therapien, Operationen und dennoch schlussendlich leider auch Todesfälle.
Ironie an der Geschichte: Wir hatten uns genau auf Grund der Tatsache, dass man das Leben nicht auf später verschieben, sondern im Hier und Jetzt leben sollte, damals für Achilles entschieden. Nach einem Besuch im Krankenhaus. Das Leben spielt schon eigenartig.
Wieder Vertrauen ins Leben fassen
Dem Leben zu vertrauen, wenn alles rosig ist, ist nicht schwer. Wenn Schmerzhaftes passiert, fällt es dagegen schwer, Vertrauens-Vorschuss-Lorbeeren zu verteilen. Aber auch nach harten Jahren muss es weitergehen. Und zwar wenn möglich nicht verbittert oder überängstlich.
Die ersten Tage nach dem jüngsten Verlust waren die schlimmsten, eine Woche später war Urlaub und damit Raus aus dem Alltag angesagt, nun hat uns der Alltag wieder. Und ich merke, dass es wohl noch einige Zeit brauchen wird, um mich zu fangen. Und das darf auch sein nach den letzten Jahren, in denen ich wieder und wieder hoffnungsvoll aufgestanden bin. Ich werde es auch dieses Mal schaffen, auch wenn es mehr Zeit brauchen wird.
Ich bin dankbar, für das was war. Aber ich bin nach wie vor auch extrem traurig darüber wie alles gekommen ist und sehe einfach keinen Sinn darin. Die Frage nach dem Warum kann man sich bei solchen Dingen aber ohnehin schenken.
Um weiterzumachen geht es speziell für mich nun darum, wieder Vertrauen ins Leben zu fassen und mich nicht auf Worst Case Szenarien zu spezialisieren, von denen mir aktuell in der Sekunde genügend einfallen würden.
Warum erzähle ich euch das? Weil ich mir sicher bin, dass es einigen ähnlich geht, auch wenn die jeweiligen Geschichten anders klingen mögen. Und weil wenig über schmerzhafte Emotionen wie Tod, Trauer, Verlust, Verzweiflung und Angst gesprochen wird. Dabei gehören sie zum Leben dazu, auch wenn sie uns zu unterschiedlichen Zeitpunkten, Lebensphasen und Momenten ereilen. Manchmal gnädig, manchmal einfach nur schockierend oder brutal.
Was also hilft, wenn man hart getroffen wurde?
Tipps zum Verarbeiten von Trauer
„Trauer ist der stärkste Stress, den ein Mensch überhaupt erfahren kann.“
Collin Murray Parkes, Psychoanalytiker
Um wieder heil zu werden, ist Trauern wichtig. Die folgenden Tipps sind v.a. subjektiv geprägt und spiegeln meine Erfahrungen wider. Es soll hier nicht darum gehen wie man „richtig trauert“, denn das gibt es per se nicht. Hier soll deshalb das Raum finden, was helfen kann, wenn man sich traurig, verzweifelt, hilflos, ängstlich, ohnmächtig, leer, fassungslos, kraftlos oder wie auch immer nach einem Trauerfall fühlt.
1. Die Trauer zulassen: Wie auch immer sie sich zeigt, es ist okay. Ich für meinen Teil trauere weinend und habe in den letzten Wochen viele Tränen vergossen. Das Schöne dabei war: Sehr viele Menschen haben mit mir geweint. Dieses Zeichen der Empathie weiß ich sehr zu schätzen. Weniger schön war v.a. die ersten Tage die Unfähigkeit zu essen oder zu trinken, eine extreme Leere, Kraftlosigkeit, ja auch Orientierungslosigkeit. Wir hatten so viele Pläne, gemeinsam und dann das…
2. Gemeinsam trauern: Mit Tom, der engsten Familie, engen Freunden. Auch wenn jeder für sich das Geschehene unterschiedlich verarbeitet, so tut es gut, gemeinsam zu trauern, darüber zu sprechen, zu weinen, über schwere, aber auch über schöne Momente zu reden. Einfach für einander da zu sein und die Trauer gemeinsam zu bewältigen.
3. An das Schöne erinnern: Uns hilft hier zB das Erstellen eines Fotoalbums, welches sicherlich überdick werden wird, weil es gerade jetzt unmöglich scheint, sich auf wenige Bilder und Momente als Erinnerung zu beschränken. Ja, es tut auch oft sehr weh, wenn man diese Bilder von glücklichen Tagen sieht, aber irgendwie ist es dennoch auch heilsam.
4. Immer bei mir: Als meine Großmutter verstorben ist, habe ich begonnen, ihr zu Ehren einen Ring zu tragen, der mich täglich an sie erinnert. Auch Achilles ist nun in Form eines Schmuckstückes immer bei mir. Und da er zu Lebzeiten ja auch nie auf einem Platz liegen geblieben, sondern immer wieder herumgewandert ist, wandert nun auch dieser Ring an meinen Fingern. Hätte ich Tätowierungen, würde wohl schon irgendwo sein Kopf auf mir prangen, ich kann momentan sehr gut nachvollziehen, aus welcher Gefühlslage heraus man so eine Entscheidung trifft. Ob Schmuck oder Tattoo: So oder so ist es eine Erinnerung und das finde ich sehr schön.
5. Energie ins Fließen bringen: Ist die schlimmste Zeit überstanden, hilft es wieder in Bewegung zu kommen. Spazieren konnte ich erstaunlicherweise direkt danach wieder, solange es in Gesellschaft war. Für mein übliches Training brauchte es ein bisschen. Tatsache ist aber, dass gerade Bewegung heilsam sein kann und es wirklich hilft, wenn die Energie wieder ins Fließen kommt. Das tut nicht nur körperlich, sondern auch seelisch gut, ordnet die Gedanken und hilft v.a. auch dabei, neue, bessere Gedanken zu fassen. Ich habe auf Instagram gefragt, was anderen in ähnlichen Situationen geholfen hat und der Tenor geht eindeutig zu Bewegung und raus in die Natur. Und zu ein, zwei Gin Tonic ^^
6. Schwitzen: Keine Ahnung warum genau, aber ich habe festgestellt, dass mir Schwitzen extrem gut tut und deshalb war ich selbst bei über 35 Grad Außentemperatur in der Sauna und es war genau richtig so.
7. Akzeptieren: Eine schwierige Angelegenheit, wenn es um das Leben eines Menschen oder Tieres geht, aber man kann die Vergangenheit nicht ändern, man muss sie annehmen, wie sie ist, auch wenn das unerträglich weh tut.
8. Weitermachen: V.a. wenn danach alles anders ist als gewohnt, ist es schwierig einfach weiterzumachen. Und trotzdem auch wichtig, um wieder zurück in eine neue Normalität finden zu können. Ich versuche deshalb weitestgehend in eine neue Form von Alltag zu finden, was an manchen Tagen besser und an anderen schlechter gelingt. Priorität Nummer 1 haben dabei für mich gute Gewohnheiten wie Bewegungseinheiten oder Lesen. Aber selbst solche Kleinigkeiten wie Blumen am Tisch oder Lackieren der Nägel können hilfreich sein, wenn sie als Konstanten zum Alltag gehören und einem Normalität vermitteln.
9. Geduld und Mitgefühl mit sich selbst: Falls es jemandem schwer fällt, die Trauer zu akzeptieren, dann lass dir gesagt sein, dass es in Ordnung ist traurig zu sein und dass es seine Zeit dauern darf. Falls du in der Zeit vor dem Todesfall gepflegt hast, ist es ebenso normal, erschöpft und ausgelaugt zu sein.
10. Zeit alleine: Zu Beginn war es für mich wohltuend, Menschen um mich zu haben, denn in ihrem Beisein konnte ich eher essen und trinken als alleine. Mittlerweile schätze ich aber auch wieder bewusstes Alleinsein, weil ich dabei meine Gedanken und Gefühle in Ruhe ordnen kann. Was auch immer dir gut tut – ob viele, wenige oder gar keine anderen Menschen, hör auf dein Gefühl und entscheide danach.
Zum Abschluss noch ein Zitat, welches ich selbst im Schmerz als schön empfinde:
„Dein Leiden ist dein Kompost. Nutze ihn für dein Wachstum. Der Lotus wächst nicht auf Marmor. Er wächst im Dreck.“
Thich Nhat Hanh
In diesem Sinne hoffe ich, es ist jemand anderem mit diesem heutigen Beitrag geholfen. Und wenn es nur darum geht, dass man weiß, dass man nicht alleine ist.
Alles Liebe,
Vera
Danke für deine offenen Worte zum Thema Trauer und Abschied nehmen. Auch ich habe letztes Jahr einen geliebten Menschen verloren, der ein ganz wichtiger Teil in unserer Familie war. Wer trauert sollte das auch nie alleine müssen und da war ich glücklich über unsere große Familie. Deine 10 Tipps sind wirklich wertvoll und genauso habe ich bzw. mache ich es immer noch. Ganz besonders geholfen hat mir ein Moment ein paar Tage vor der Beerdigung gebracht, als wir ein letztes Mal unseren geliebten Menschen im Abschiedsraum sehen und uns eben ein letztes Mal verabschieden konnten.
Liebe Natalie, das ist schön zu lesen, dass dir das sehr geholfen hat. Ja, jeder muss hier seinen Weg finden. Alles Gute für dich!
Habe in 21 Monaten erst den Bruder. Mama und dann Papa verloren.
Habe das Gefühl nicht mehr richtig atmen zu können aber habe 2 wundervolle Kinder und einen supertollen Partner.
Kopf hoch, nach Schatten kommt Licht, das läßt mich jeden Tag weitermachen
Mein aufrichtiges, herzliches Beileid. Ganz viel Kraft!
Und ja, nach Schatten kommt Licht, das trifft es genau.
Alles Liebe,
Vera