Todesfälle während des Sports, beispielsweise durch einen plötzlichen Herztod (vor allem beim Fussball und Ausdauersportarten), werfen viele Fragen auf. Wie es sein kann, dass ein sportlicher und trainierter Mensch ein solches Schicksal erleidet? Wo doch Sport im Allgemeinen als gesund gilt. Warum passieren also solche tragischen Ereignisse und wie kann man das Risiko für solche Zwischenfälle beim Sport für sich selbst möglichst minimieren?
Gerade für Leute, die planen nach langer Zeit der Sportabstinenz oder überhaupt zum ersten Mal so richtig mit regelmäßigem Sport zu beginnen und vielleicht sogar an Wettkämpfen teilzunehmen, aber auch bereits bestehenden SportlerInnen, die bisher noch keinerlei entsprechende sportmedizinische Untersuchung durchführen haben lassen, stellt sich die Frage wie und wo sie feststellen lassen können, ob und wie weit sie sich möglichst risikolos bei der Ausübung ihres gewünschten Sports belasten dürfen. Denn die meisten plötzlichen Herztode beim Sport passieren, weil genetische oder erworbene Herzfehler bestehen, diese aber nicht als solche erkannt wurden.
Allein schon sich darüber Gedanken zu machen, solch ein Risiko einzudämmen, zeugt von – nicht nur – sportlicher Intelligenz, sondern auch von einer gewissen Eigenverantwortung, nicht nur sich selbst, sondern auch seinem Umfeld und seiner Familie gegenüber.
Eine entsprechend qualifizierte und gründliche sportmedizinische Untersuchung ist dafür die beste Möglichkeit.
Leider wird aber nach wie vor allzu oft eine solche sportmedizinische Untersuchung eher als lästige Pflicht für eine eventuelle Lizenzvergabe oder eine Wettkampfberechtigung angesehen und von vielen Anbietern meiner Meinung nach unzureichend durchgeführt.
Wodurch zeichnet sich eine qualitativ hochwertige und aussagekräftige sportmedizinische Untersuchung aus?
Hier die aus meiner Sicht wichtigsten Punkte:
1.) Ich persönlich empfehle für eine sportmedizinische Untersuchung nicht nur einen entsprechend ausgebildeten, erfahrenen und qualifizierten Sportmediziner aufzusuchen, sondern sich auch Gedanken darüber zu machen, welchen Sport man ausüben möchte und sich diesbezüglich einen entsprechend versierten sportartspezifischen Sportmediziner auszuwählen.
Es macht schon einen großen Unterschied, ob jemand als Untersucher selbst nicht nur sportlich ist, sondern auch mit den Gegebenheiten, Anforderungen und Risiken der entsprechenden Sportart bis ins Detail vertraut ist und bestenfalls diese Sportart selbst seit Jahren ausführt.
2.) Eine gründliche sportorthopädische Untersuchung mit Überprüfung der Gelenks- und Muskelfunktionen, des Muskelstatus mit Detektierung eventueller muskulärer Dysbalancen (zB über ein FMS-Screening) und der Überprüfung hinsichtlich dem Vorliegen von Haltungs-, Koordinations oder Bewegungsdefiziten sollte, neben einem entsprechend vorangegangenen Gespräch hinsichtlich Eigen-, Familien und sportartspezifischer Anamnese, die Grundbasis einer sportmedizinischen Untersuchung und vor allem den muskulo-skelettalen Teil betreffend darstellen.
Hierbei sollte vom Untersucher auch auf eventuell vorliegende bestehende oder alte Verletzungen, Operationen und deren Folgen genauestens eingegangen werden.
3.) Auch eine aktuelle Untersuchung der wichtigsten Blutparameter (am Besten durch ein entsprechendes Laborinstitut vorab der sportmedizinischen Untersuchung), die Aufnahme und Dokumentation der wichtigsten Daten und Facts des Sportlers (u.a.Körperzusammensetzung etc.) sollten durchgeführt werden, um bei eventuellen Nachfolgeuntersuchungen (auch nach Jahren) gegebenenfalls Änderungen in diesen Bereichen besser nachvollziehen zu können bzw. um vorbestehende Vergleichswerte zu haben.
4.) Absolut essentiell ist meiner Meinung nach bei einer gewissenhaft und ordnungsgemäß durchgeführten sportmedizinischen Untersuchung allerdings eine genaueste sportkardiologische Abklärung. Leider wird allzu oft bei sportmedizinischen Untersuchungen (aus Zeit- und Kostengründen) nur ein Ruhe-EKG durchgeführt und der Blutdruck gemessen und der entsprechende Proband bei unauffälligem Befund für sporttauglich erklärt.
Das ist aber leider unzureichend. Zumindest zu Beginn der Sportaufnahme, wenn zuvor noch nie eine entsprechende sportmedizinische Untersuchung durchgeführt wurde oder bei Wiederaufnahme der sportlichen Tätigkeit nach Jahren der Sportabstinenz bzw. auch nach schwereren Erkrankungen (u.a. auch Infekten, die mit mehrtägigem Fieber einhergehen) sollte zusätzlich eine gründliche sportkardiologische Untersuchung durch einen entsprechenden internistisch-kardiologischen Facharzt durchgeführt werden.
Auch langjährig tätige Sportmediziner mit viel Erfahrung, die nicht speziell auf dem Fachgebiet der Kardiologie ausgebildet sind, sind nicht davor gewappnet eventuell auftretende Besonderheiten lückenlos erkennen und abklären zu können.
Das hierfür oftmals für eine sportmedizinische Untersuchung ein zusätzlicher Weg (der zum Sportkardiologen) anfällt ist sicherlich zeitaufwendig, etwas lästig und mühsam, erhöht aber die eigene Sicherheit einer möglichst risikolosen Sportausübung deutlich.
Warum reicht ein unauffälliges Ruhe-EKG nicht aus?
Die häufigste Ursache (30%) für den plötzlichen Herztod bei der Ausübung von Sport, vor allem im persönlichen maximalen Belastungsbereich, ist eine hypertrophe Kardiomyopathie. Hierbei handelt es sich um eine angeborene Verdickung der Herzmuskulatur vor allem im Bereich des linken Herzens, wodurch es bei zunehmender Belastung zu einer Verengung der Ausstrombahn des linken Herzens und zu einer Aortenstenose mit zunehmender Druckbelastung im linken Herzen und Herzrythmusstörungen kommen kann. Dies kann unter anderem zu Synkopen bis hin zum plötzlichen Herztod führen.
Diese hypertrophe Kardiomyopathie wird im Vorfeld meist nicht erkannt bzw. abgeklärt, da es zu keinerlei Auffälligkeiten im Ruhe-EKG kommt – sie also asymptomatisch bleibt bzw. eventuell vorliegende erste Anzeichen nicht wegweisend sind – und somit bei unzureichender Abklärung unerkannt bleiben. Erst unter Belastung, und zwar nur bei persönlicher und individueller Ausbelastung, und unter Hypoxie treten entsprechende Veränderungen und Arrythmien auf (zweithäufigste Ursache für den plötzlichen Herztod ist u.a. ein arrythmogener rechter Herzventrikel).
Aus diesem Grund ist auch ein Belastungs-EKG bis zur Standardausbelastung unzureichend. Es muss ein Belastungs-EKG bis zur individuellen kompletten Ausbelastung durchgeführt werden, um aussagekräftige Resultate zu bekommen. Auch Kreatinkinase und IL-6 steigen bei extremen körperlichen Belastungen an (auch ohne ernsthafte Erkrankungen) und erreichen nach der Belastung innerhalb kurzer Zeit wieder Normwerte. Durch den Anstieg dieser Faktoren unter Belastung kann es u.a. zu einem Anstieg der Druckbelastung des Herzens und dadurch zu Arrythmien kommen. Ebenso lässt die Leistung des rechten Herzventrikels unter extremer sportlicher Belastung nach, weshalb es zu einer Überbelastung des rechten Ventrikels kommen kann.
Desweiteren sollte auch hinsichtlich des Ausschlusses einer hypertrophen Kardiomyopathie (und zur Differenzierung bezüglich einem Sportlerherz bei bereits langjährig und intensiv sporttreibenden Personen) sowie zum Ausschluss von eventuell vorliegenden Herzklappenfehlern oder eines persistierenden Foramen Ovale (= eine Verbindung zwischen den Vorhöfen des Herzen im vorgeburtlichen Kreislauf, das sich in den ersten Lebenstagen meist vollständig verschließt) auch eine Echokardiographie durch einen Kardiologen durchgeführt werden.
Ich empfehle allen meinen SportlerInnen, die ich betreue eine derartige kardiologisch-internistische Untersuchung nicht nur vor Beginn einer sportlichen Aktivität oder nach schwerwiegenderen und länger andauernden Infekten, sondern auch dem gesunden Sportler bzw. Sportlerin zumindest in einem regelmäßigen Abstand von 5 Jahren. Auch Vera und ich lassen uns regelmäßig auf diese Art durchchecken.
Eine solche Untersuchung ist für mich und meine AthletInnen auch eine Grundvoraussetzung zur Durchführung einer Leistungsdiagnostik, bei der es zu einer entsprechenden Ausbelastung des Sportlers kommt.
Eine zusätzliche Leistungsdiagnostik – möglichst realitätsnah und sportartspezifisch – ist zwar kein Muss einer sportmedizinischen Untersuchung, allerdings – vor allem wenn zuvor noch nie eine Leistungsdiagnostik durchgeführt und ein Training eher nach „bestem Wissen und Gewissen“ vom Sportler selbst durchgeführt wurde – durchaus eine sinnvolle Ergänzung, um die optimalen Trainingsbereiche für den Sportler individuell bestimmen und seine persönliche Zielsetzung damit durch ein entsprechend gesteuertes Training oder zumindest einer Beratung für sein weiteres Training optimieren zu können und Vergleichsdaten zur Überprüfung des entsprechenden Fortschritts sowie für eine adäquate Trainingssteuerung zu haben.
Fazit: Um das eigene Risiko beim Sport möglichst gering zu halten, sind eine entsprechende sportmedizinische Untersuchung UND eine adäquate Trainingsvorbereitung, besonders auf Wettbewerbe, anzuraten und daher jedem Sporttreibenden aus sportmedizinischer Sicht dringend zu empfehlen.
Doc Tom