Heute haben wir wieder ein spannendes Interview für euch und zwar rund um das Thema Herzgesundheit. Meine Gesprächspartnerin ist Dr. Delia Kiss, die als Fachärztin für interne Medizin und Kardiologie tätig ist, u.a. in unserer LaufSport- und GelenksPraxis in Wien Hietzing. Welche Untersuchungen wann sinnvoll sind, wie eine herzschützende Ernährung aussehen kann, wann man bei Halsweh & Co lieber eine Trainingspause einlegen sollte und welche positiven Auswirkungen Bewegung hat – all das lest ihr in diesem Interview. Und natürlich habe ich der Frau Doktor auch ein paar private Fragen gestellt 😉 .
Wir wünschen euch viel Spaß beim Lesen!
Vera: Liebe Delia, vielen Dank, dass du dir Zeit für unser Interview genommen hast. Ich würde heute gerne mit dir über dein Fachgebiet, die Innere Medizin sprechen. Für alle, die nicht genau wissen, was hier alles darunter fällt: Wie wird man Fachärztin für dieses Gebiet und was macht eine Fachärztin für Innere Medizin genau?
Dr. Delia Kiss: Liebe Vera, es ist mir eine Ehre dieses Interview mit Dir machen zu dürfen. Wenn Du mich nach meinem Weg zur Fachärztin für Innere Medizin fragst, muss ich einige Jahre zurückspulen, um genau zu sein 17 Jahre, denn nach einer Studienzeit von 6 Jahren beendete ich 2002 mein Medizinstudium. Mit meiner Promotionsurkunde in der Hand begann ich damals als Dr.med.univ. in einem Kaffeehaus zu arbeiten, ein Schicksal, das ich mit vielen meiner Kollegen teilte, denn eine Turnusarztstelle zu bekommen, bedeutete damals eine 3-jährige Wartezeit zu überbrücken. Doch ich hatte Glück und ergatterte eine Stelle in einer Lehrpraxis für Innere Medizin, wo ich einen großartigen Arzt, Tutor und Menschen, nämlich Dr. Linauer kennenlernen durfte.
Es folgten mehrere Anstellungen in kleineren Spitälern, wo ich mannigfaltige Erfahrungen im Bereich der gesamten Medizin sammeln konnte. Meinen Turnus mit Absolvierung sämtlicher Fächer wie Chirurgie, Gynäkologie, Orthopädie, Neurochirurgie und Kinderinterne setzte ich letztendlich im Donauspital fort, wo ich im Verlauf auch meine Ausbildung, welche insgesamt 72 Monate dauert, im Fach Innere Medizin beginnen und beenden konnte. Am Ende der Facharztausbildung muss dann noch eine mehrstündige schriftliche Prüfung positiv absolviert werden.
Die Innere Medizin ist ein zentraler Bestandteil der gesamten Medizin und befasst sich mit Prävention, Diagnose und Behandlung sämtlicher Erkrankungen innerer Organe wie Atmungs- und Verdauungsorgane, Herz-Kreislaufsystem, Nieren, Stoffwechsel, Blut und blutbildender Organe – um nur einige Teilgebiete zu nennen.
Da mich bereits sehr früh das Herz als Organ faszinierte, verfolgte ich zielstrebig meine Zusatzqualifikation im Fach Kardiologie (diese Ausbildung dauert insgesamt 36 Monate), wobei ich hier sämtliche Spezialisierungen im Bereich internistischer Intensivmedizin, Notfallmedizin, Schrittmachertherapie inkl. Versorgung mit Defibrillatoren, Echokardiographie und Herzinsuffizienz erlangen durfte.
Eine für mich und meine Patienten bereichernde Zusatzausbildung im Fach Psychokardiologie ergänzen zudem meine Expertise.
Du bist seit kurzem auch bei uns in der LaufSport- und GelenksPraxis tätig und hast dich dabei v.a. dem Themengebiet Sport und Herz angenommen. Welche Untersuchungen bietest du genau an und warum ist es gerade für Sportler so wichtig, sich gut von einem Spezialisten durchchecken zu lassen?
Mit der Vereinigung der zwei Spezialgebiete Sportmedizin und Kardiologie erhoffe ich mir eine ganzheitliche Betreuung meiner Patienten. Die Bedeutung und Auswirkung körperlicher Aktivität im Bereich der Primär- und Sekundärprävention kardiovaskulärer Erkrankungen ist bereits mehrfach durch Studien unterlegt worden.
Wir wissen, dass junge Sportler ein erhöhtes Risiko für den plötzlichen Herztod zeigen. Eine sportmedizinische Untersuchung inklusive EKG (Elektrokardiogramm) würde, wie die italienischen Forscher Corrado et al. nach einer 20-jährigen Beobachtungsstudie zeigten, die Mortalität drastisch reduzieren.
Das Ziel ist jedoch nicht nur Leistungssportler gut zu betreuen, sondern zunehmend auch Breiten- und Hobbysportler, welche nach langer Pause sportlich wieder durchstarten möchten.
Gleichzeitig ist das Betreuen von Patienten mit Herzkreislauferkrankungen, wie Bluthochdruck, Herzmuskelschwäche, Herzklappenerkrankungen oder nach Herzinfarkt enorm wichtig, um ihnen einerseits die Angst vor Sport zu nehmen und andererseits durch die positiven Effekte des Sports Lebensqualität zurück zu geben.
Leider besteht noch immer im Großteil der Bevölkerung die Meinung, dass Sport bei Herzerkrankungen kontraindiziert ist. „Machen Sie Sport“ ist ein Ausdruck, den viele Patienten als Empfehlung bekommen, doch leider sind herzkranke Patienten oftmals damit überfordert – eine genaue Aufklärung über Art und Dosis des Sports ist deshalb essenziell. Auf keinen Fall sollten Herzkranke ohne vorherigen sportmedizinischen Check trainieren.
Da ich Internistin und Kardiologin bin, ist es mir wichtig meinen sportmedizinischen Check mit meinen medizinischen Schwerpunkten durchzuführen. Mein Untersuchungsspektrum umfasst neben ausführlicher Anamnese, körperlicher Untersuchung, EKG, Herzultraschall, Ultraschall der Halsschlagader, Langzeit EKG und Langzeitblutdruckmessung auch einen Belastungstest am Fahrrad inkl. Laktatmessung.
Eine Frage, die wir immer wieder gestellt bekommen ist jene, was bei Infekten zu tun sei: Darf man trotzdem trainieren und falls nein, wie lange muss man Ruhe geben? Daher meine Frage an dich: Woher weiß man, wann ein tatsächlicher Infekt besteht, der potentiell gefährlich sein könnte? Ein bisschen Halskratzen, leichte Schmerzen beim Schlucken oder eine laufende Nase kommen ja öfter mal vor. Wie kann man hier selbst erkennen, ab wann es ernst ist und sich so dann die entsprechend notwendige Ruhepause nehmen und an solchen Tagen eben nicht trainieren oder bei einem Wettkampf starten?
Bei einem harmlosen Schnupfen ohne zusätzlicher Begleitsymptomatik wie Halsschmerzen, Husten oder sogar Fieber ist eine sportliche Betätigung mit moderater Intensität, wie Walking und Joggen durchaus erlaubt. Ein ausgedehnter Spaziergang ist in manchen Fällen vollkommen ausreichend. Eine Erweiterung des Trainings mit Faszientraining, Yoga und Stabilitätsübungen ist je nach Befinden möglich.
Die Ausführung von extremen Belastungen, sowohl im Ausdauer-als auch Kraftsportbereich ist dagegen kontraindiziert.
Halsschmerzen können immer Vorboten einer beginnenden Mandelentzündung sein – diese dürfen nicht leichtfertig betrachtet werden, denn meistens handelt es sich hierbei um bakterielle Entzündungen, welche schlimmstenfalls auf das Herz verschleppt werden und eine Herzmuskelentzündung (Myokarditis)verursachen können.
Eine beunruhigende Beobachtung ist, dass übermütige Sportler durch Einnahme von Medikamenten Symptome unterdrücken und trotzdem ihr Training durchführen. Hier möchte ich nochmals betonen, dass auch wenn das Fieber medikamentös gesenkt wurde, die Gefahr einer Myokarditis trotzdem besteht.
Die Dauer der Trainingspause muss je nach Symptomatik individuell besprochen werden, doch generell gilt: Nach fieberhaften Infekten sollte nach Abklingen der Symptome erst nach circa 1 Woche mit Sport bei niedrigerer Belastung begonnen werden. Ausdauertraining also eher mit kurzen Dauerläufen starten, welche langsam und kontinuierlich gesteigert werden können.
Mir ist bewusst, dass Leistungssportler einen anderen Trainingsdruck haben, dennoch kann durch zu frühem Beginn, noch viel mehr nachhaltiger Schaden entstehen.
Welche Standardkontrolluntersuchungen rätst du Sportlerinnen und Sportlern oder auch allen, die es wieder angehen wollen? Man liest ja immer, dass es gerade ab 35 sinnvoll wäre, sich immer wieder ordentlich internistisch durchchecken zu lassen. Gibt es hier wirklich diese „Altersgrenze“ oder macht es generell für jeden Sinn? Und wie oft sollte man zum Check Up?
Eine bestimmte Altersgrenze hier zu nennen wäre aus medizinischer Sicht sicherlich falsch, denn leider gibt es auch viel jüngere Patienten, die an plötzlichem Herztod versterben – und genau das zu vermeiden sollte unser Ziel sein.
Die Durchführung einer Sporttauglichkeitsuntersuchung bei Leistungssportlern konnte in Studien eine drastische Reduktion der Mortalität bei Sportlern erzielen.
Besonders wichtig erscheint mir jedoch auch die Betreuung von Freizeitsportlern, welche eventuell vor einem Wiedereinstieg oder neuen sportlichen Herausforderung stehen. Im Rahmen eines sportkardiologischen Check Ups sollte hierbei neben der körperlichen Untersuchung zumindest ein EKG erfolgen. Eine zusätzliche Echokardiographie und Ergometrie erscheinen mir ebenfalls sehr wichtig.
Abseits von Sport: Was tut dem Herz aus deiner fachlichen Sicht ansonsten noch gut?
Eine kardioprotektive, also herzschützende Ernährung mit reichlich Obst, Gemüse und guten pflanzlichen Fetten ermöglicht eine deutliche Reduktion der Risikofaktoren für Arteriosklerose (Gefäßverkalkung) und Progression (Fortschreiten) von Herz-Kreislauferkrankungen. Nahrungsmittel können hierbei lipidsenkend (Nüsse, Trauben), blutdrucksenkend (Zwiebel, Knoblauch) sowie antioxidativ (Tee) und entzündungshemmend (Zitrusfrüchte) wirken, um nur einige Bespiele zu nennen.
Ebenfalls protektiv ist die Vermeidung von Stress. Psychische Stresssituationen und starke Emotionen, wie der Verlust einer lieben Person oder Konflikte am Arbeitsplatz, können hierbei im Extremfall auch einen Pseudoinfarkt mit charakteristischen EKG-Veränderungen verursachen. Für die Entstehung des sogenannten „Broken heart syndroms“ wird die Freisetzung von Stresshormonen, welche gefäßverengend wirken, verantwortlich gemacht.
Die Komplexität der Psychosomatik ist insbesondere beim Organ Herz, dem „Mittelpunkt des Lebens“, ausgeprägt. Durch meine Zusatzausbildung im Bereich der Psychokardiologie berücksichtige ich deshalb immer auch die Wechselwirkung zwischen Herzerkrankung und seelischen Problemen. Die umfassende Betreuung eines Patienten nach einem Herzinfarkt oder Erlebnis einer Nahtoderfahrung erscheint mir hierbei besonders wichtig und gesundheitsfördernd.
Dein Mann ist als Augenarzt tätig. Sprecht ihr zuhause über medizinische Fälle oder trennt ihr Berufliches und Privates strikt?
Wir versuchen beide so wenig wie möglich „nach Hause zu bringen“ – doch manche Fälle beschäftigen uns dennoch länger, insbesondere das Schicksal jüngerer Patienten. Um ehrlich zu sein, bin ich dann in solchen Situationen sehr dankbar, dass ich einen Partner habe, der meine Belastungssituation auch versteht. Unsere Fächer haben auch immer wieder Schnittpunkte, wo ich ihn auch mal gerne als Konsiliararzt beanspruche.
Aktuell absolvierst du „nebenbei“ ein Masterstudium der Sportmedizin. Wie bringst du alles unter einen Hut – Familie, zwei Kinder, Job, Weiterbildung und Sport?
Du hast Sport als letztes erwähnt, liebe Vera… doch die Wahrheit ist, dass Sport mir alles ermöglicht. Die Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit, die mein Beruf abverlangt, die Geduld, die sich meine Kinder immer wieder wünschen… All das ist nur dann möglich, wenn man die eigene Aufmerksamkeit immer wieder auf sich selbst als Person fokussieren kann.
Mein Leitspruch: „Decision making becomes easier with sports!“ Sehr oft grübeln wir über ein Erlebnis oder ein Problem länger nach als notwendig. Durch Bewegung und sportliche Aktivität erscheint für mich jede Entscheidung viel einfacher.
Was sind deine liebsten Sportarten und warum?
Prinzipiell probiere ich gerne jegliche Sportart aus. Als Kleinkind durfte ich bis zu meinem 13. Lebensjahr Ballett tanzen, eine großartige Art, Balance und Koordination zu erlernen.
Es folgten Schwimmen und Badminton als wichtigste Sportarten während des Studiums. Durch das Schwimmen kann man seine Grundausdauer sehr gut aufbauen und aufrechterhalten.
Derzeit versuche ich ebenfalls einige Sportarten zu kombinieren und achte sehr darauf sowohl Ausdauersportarten, wie Laufen und Schwimmen, als auch Krafttraining zu absolvieren.
Liebe Delia, herzlichen Dank für deine Zeit und das Interview 🙂
Wer auf der Suche nach einem Kardiologen und Internisten in Wien Hietzing ist: Hier könnt ihr die Ordination von Dr. Delia Kiss kontaktieren.
Alles Liebe und bleibt gesund,
Vera
Bild Copyright: Pedro Salvadore
Vielen Dank für das interessante Interview! Viele Faktoren beeinflussen die Funktion des Herzen, deswegen sollte man eine ganzheitliche Behandlungsansatz anwenden. Ich finde es gut, dass bei der Psychokardiologie auch seelische Probleme berücksichtigt werden.