Von den insgesamt sechs zu den World Marathon Majors zählenden Marathonläufen stand für mich, nach dem New York Marathon 2013…
… und dem Berlin Marathon 2014
gemeinsam mit meinen laufenden Kollegen dieses Jahr der Chicago Marathon am Plan. (Die noch ausstehenden drei Marathons der World Marathon Majors (Tokyo, Boston und London) sind bereits für die nächsten Jahre geplant 😉 )
Der Chicago Marathon ist vor allem berühmt für seinen unberechenbaren Wind zwischen den Häuserschluchten, die dieses Jahr beim Marathonrennen selbst zwar abgeschwächt vorhanden waren, aber durchaus beachtlich und merkbar.
Donnerstag in der Früh ging es deshalb für uns von Wien nach Chicago.
Nachdem wir uns als Gruppe abseits unserer gemeinsamen Marathonläufe nicht sehr häufig sehen, vergingen die 9 Stunden Flugzeit buchstäblich wie im Flug.
Gut in Chicago angekommen fuhren wir danach direkt in unser Hotel, dem „The Congress Plaza Hotel Chicago“, das anlässlich der Weltausstellung in 1893 in Chicago erbaut wurde und in Chicago Downtown an der Michigan Road optimal direkt am Grant Park (dem Start- und Zielbereich des Chicago Marathons) und nur wenige Meter von der Uferpromenade des Michigan Lage entfernt liegt.
Neben dem benachbarten Hilton Hotel rein aus lauftechnischen und logistischen Aspekten sicherlich DAS optimale Marathonhotel, da man sowohl zum Startgate als auch vom Zielbereich nicht einmal 5 Minuten zu Fuss gehen muss.
Gravierender Nachteil beider Hotels ist jedoch ebenfalls ihre Lage: da beide Hotels an der rund um die Uhr stark befahrenen Michigan Road liegen (eine der Hauptdurchzugstrassen von Chicago) und zusätzlich neben den Bahngleisen (die zwischen Michigan Road und dem Grant Park liegen) als auch direkt am „Loop“, einer Stelzenbahn, die quer durch Chicago läuft und im Minutentakt höllischen Lärm verursacht, war – trotz geschlossenen Fenstern – an ein Schlafen ohne Ohropax nicht zu denken (vom ständigen Sirenengeheul, den lauten Klimaanlagen und dem Hupen der Autos einmal ganz zu schweigen 😉 )
Aufgrund einer etwas kuriosen Kofferverwechslung (es existierten nämlich zwei idente Koffer einer eigentlich ansonsten eher selten vorkommenden Koffer-Serie auf unserem Flug und so fand ich beim Auspacken im Hotel zwar sehr geordnete und schöne Textilien in meinem vermeintlichen Koffer vor, aber eben nicht meine Sachen inklusive meiner Laufutensilien für den Marathon) kam es nach Ankunft erstmal zu einigen Telefonaten und einer zusätzlichen Hotel-Flughafen-Hotel-Runde zum Koffertauschen. Auch wenn das Ganze ein paar Nerven gekostet hat (schließlich weiß man ja nie, ob und wenn ja wann der eigene Koffer wieder auftauchen wird), ist zum Glück alles gut ausgegangen und ich fühlte mich nun – mit meinem Koffer – in der Stadt angekommen.
Chicago wartete darauf, von uns entdeckt und „gelaufen“ zu werden!
Und ich machte mich mit meinen laufenden Mediziner-Kollegen Peter und Wolfgang gleich auch auf eine kurze Laufrunde durch die nähere Umgebung.
Chicago erwartete uns mit bestem goldenen Herbstwetter, Sonne, wolkenlosem Himmel und Temperaturen zwischen 15 bis 25 Grad (und das Mitte Oktober!) – besser gehts nicht!
So entdeckten wir die Stadt in den folgenden Tagen vorwiegend zu Fuss und laufend…
… und kamen dabei u.a. auch am Start- Zielgelände vorbei, wo vor dem Marathon noch alles ruhig und die Aufbauarbeiten in vollem Gange waren.
Am Freitag ging es dann für uns am Vormittag natürlich auch gleich zur Abholung der Marathon Startunterlagen und auf die EXPO ins McCormick Center im Süden der Stadt.
Hier wurde unter anderem bereits die perfekte und durchdachte Organisation sichtbar, da unter anderem von vier unterschiedlichen Standpunkten in der Stadt Gratis-Shuttlebusse für alle MarathonläuferInnen und deren Begleitungen im Minutentakt Richtung Expo-Center und retour fuhren – ein wirklich toller Service, der auch bestens funktionierte.
Auch die Startunterlagenabholung verlief trotz der gewaltigen Masse von über 45.000 MarathonläuferInnen problemlos und ohne grosse Wartezeiten.
Ich nutzte die Zeit auf der Expo unter anderem, um mich mit einigen Mitarbeitern von Kooperationspartnern vor Ort informationstechnisch auszutauschen und auf den letzten Stand am amerikanischen Laufschuh- und Textilsektor zu bringen.
Starter-Bag des Chicago Marathons:
Im Anschluss ging es für uns wieder weiter zum Sightseeing einmal quer durch die Stadt
Und auf das berühmte Skydeck am Willis-Tower:
Mit dem gläsernen Boden unter den Füssen (412m über dem Boden) im 103. Stockwerk 🙂
Inklusive perfekten Blick auf den Grant Park – dem Start- und Zielbereich des Chicago Marathons
Überall in der Stadt war der Marathon allgegenwärtig und die Bewohner voller Enthusiasmus.
Der Tag vor dem Rennen wurde mit einem Aktivierungslauf gestartet…
… bevor wir die letzten Vorbereitungen für den kommenden Renntag trafen und die Beine hochlegten.
Der Chicago Marathon startet und endet im Grant Park und führt – nach einer kurzen Schleife durch die New East Side, Streeterville und Loop (km 5) – zuerst ungefähr 12km Richtung Norden vorbei am Chicago Zoo (km 10), durch Old Town Triangle nach Boys Town. Es folgt eine Wende in Lake View East retour Richtung Süden durch Park West, vorbei am Lincoln Park (km 15) und quer durch Old Town nach River North zur Halbmarathon-Mark, die zu Beginn des West Loop Gate liegt, und dann weiter Richtung United Center (unter anderem der Spiel- und Heimstätte der Chicago Bulls).
Nach einer neuerlichen Wende geht es wieder retour Richtung Osten (vorbei an der 25km Marke) nach Little Italy, bevor die Strecke nochmal in einer Schleife gegen Westen durch das University Village zur 30km Marke und weiter nach Pilsen führt.
Im Anschluss durchquert man Chinatown (km 35) und es folgt eine letzte Schleife Richtung Süden nach Park Boulevard, bevor die fast 3 Meilen lange Schlussgerade zurück Richtung Norden vorbei an The Gap, South Commons, Prairie District und an der Central Station in den Grant Park und zur Ziellinie führt.
Die Einteilung der Starter erfolgt – wie bei allen großen Marathon – in leistungsabhängigen Startblöcken (Corrals), die – wie sich am Renntag herausstellen sollte – perfekt funktionierten und von dem anwesenden Securitypersonal auch streng auf deren Einhaltung kontrolliert wurden.
Auch das Betreten des Startgeländes über die fünf unterschiedlichen Gates stellte sich trotz der großen Anzahl an LäuferInnen (über 45.000) und der strengen Sicherheitsvorkehrungen und Kontrollen als vollkommen unproblematisch heraus. Bereits wie schon beim New York Marathon 2013 durfte ich beeindruckt feststellen: Organisieren könne die Amerikaner perfekt!
Und dann war er da, der Renntag: Sonntag, 11.10.2015
Pünktlich um 4.00 Uhr läutete mein Wecker und es gab mein obligatorisches bewährtes sowie extra aus der Heimat importiertes Haferflockenmüsli mit Marmelade zum Frühstück, gefolgt von einem Aufwärmprogramm und kurzem Einlaufen und Aktivieren.
Da der Startbereich wie schon erwähnt nur wenige Gehminuten vom Hotel entfernt lag, machte ich mich mit meinen Kollegen – so spät wie noch nie – erst weniger als eine Stunde vor dem Start auf in Richtung unserer Start-Corrals.
Da wir alle unterschiedliche Ziele und Zeiten laufen wollten, waren wir auch unterschiedlichen Startblöcken zugeordnet und so verabschiedeten wir uns vor den jeweiligen Zugängen, wünschten uns viel Glück und ein verletzungsfreies und tolles Rennerlebnis. Ich begab mich in den Startblock B .
Der Renntag war wettertechnisch optimal für ein Marathonrennen: wieder einmal fast wolkenloser blauer Himmel, strahlender Sonnenschein und beim Start Temperaturen von 13 Grad, die sich bis zum Erreichen des Ziel zu Mittag auf knapp 20 Grad steigern sollten (für die Amerikaner schon zu warm zum Laufen, darum wurde vom Veranstalter auch die Schwierigkeitsstufe 2 (Alert Level: Moderate) für das Rennen ausgegeben). Für mich war es einfach nur optimal.
Das laue Lüftchen im Parkbereich sollte sich aber dann beim Rennen vor allem zwischen den Häuserschluchten als teilweise unberechenbarer böiger Wind herausstellen, der von einer Ecke zur nächsten vollkommen unvorhersehbar seine Richtung wechselte.
Meine Renntaktik für das Rennen war klar definiert: nachdem ich mir im Juli bei der Vorbereitung auf den Ironman 70.3 in Budapest beim Intervalltraining auf der Laufbahn zwei Sehnen in der linken Hüfte eingerissen hatte, was eine Zwangs-Lauf-Pause von rund 2 Monaten mit sich brachte (wobei Schwimmen, lockeres Radfahren und andere Sportarten nach einiger Zeit wieder möglich waren) und ich deshalb erst wieder Mitte September lockere Laufkilometer sammelte, war ich überglücklich beschwerdefrei an der Startlinie des Chicago Marathons stehen zu können.
Aus diesem Grund gab es für mich nur das Ziel, moderat zu laufen, dabei zu schauen das meine linke Hüfte beschwerdefrei bleibt und nicht überlastet wird und einfach die tolle Rennatmosphäre in dieser gewaltigen Stadt zu geniessen und in mich aufzusaugen, kurzum möglichst problemlos das Ziel im Grant Park zu erreichen. Deshalb hatte ich mir auch vorgenommen, während dem Rennen nicht auf meine Laufpace zu schauen und einfach nur nach Gefühl zu laufen.
Wie immer bei so großen internationalen Marathonveranstaltungen ist es allein schon ein Erlebnis im Startblock zu stehen. Man trifft so viele unterschiedliche Menschen aus allen Teilen der Welt und kommt mit völlig Unbekannten ins Gespräch, die alle zusammen mit einem die nächsten Stunden auf der Strecke verbringen werden.
Pünktlich um 7.30 Uhr Ortszeit erfolgte – nach dem in Amerika obligatorischen und theatralischen Singen der amerikanischen Nationalhymne – der Startschuss und die Masse setzte sich in Bewegung.
Ich überquerte schließlich 5 Minuten nach dem offiziellen Startschuss die Startlinie, mein Rennen begann.
Wie geplant lief ich locker los und genoss den fantastischen Sonntagmorgen und die grandiose Stimmung entlang der Strecke, die gleich mal durch einen Tunnel und dann mitten durch die Stadt in Richtung Norden führte.
Hier lernte ich bereits die unberechenbaren Winde zwischen den Häuserschluchten kennen. Den einen Block lang Rückenwind, folgte beim nächsten plötzlich Gegenwind. Dennoch störte es mich nicht weiter, da ich ja sowieso im moderaten Stil unterwegs war.
Kurz mal an meine Hüfte gedacht, aber nein, da tat sich zum Glück nichts Negatives und schon schweiften meine Gedanken wieder auf die tolle Kulisse und Stimmung entlang der Rennstrecke und ich machte das eine und andere Stimmungsfoto.
Wirklich außergewöhnlich perfekt von Anfang bis Ende des Rennens waren auch die Verpflegungsstationen (Aid Stations). Jede Meile waren beidseitig lange Stationen mit unzähligen HelferInnen aufgebaut, die im ersten Teil isotonische Getränke (Gatorade) und im zweiten Teil Wasser reichten. Bei Kilometer 30 gab es zusätzlich auch Powerbar-Gels und alle 5 Meilen nasse Schwämme. So eine perfekte Organisation der Verpflegungsstationen in so grosser Anzahl und Ausdehnung habe ich überhaupt noch bei keinem anderen Marathon davor erlebt. Manchmal hatte ich sogar das Gefühl das sich direkt eine Verpflegungsstation an die nächste reihte 😉
Vorbei ging es am Lincoln Park Zoo, einem der ältesten amerikanischen Tiergärten, weiter Richtung Norden. Hier bei Kilometer 7 riskierte ich zum ersten Mal doch einen kurzen Blick auf meine Suunto-Uhr. Ich war zugegebenermaßen etwas neugierig geworden wie ich denn so unterwegs war. Meine Uhr zeigte mir eine durchschnittliche Laufpace von 4:45min/km an, was wesentlich schneller war, als ich es gefühlsmäßig erwartet hätte.
Darüber erstaunt begann ich zu zweifeln, ob das wohl gut gehen würde. Schließlich hatte ich in der sehr kurzen Vorbereitungszeit für den Marathon nur einen einzigen wirklich langen Lauf gemacht. Aber ich fühlte mich gut, frisch und wie geplant nach Gefühl moderat unterwegs und auch meine Hüfte zeigte nicht die kleinsten Anzeichen von irgendetwas Auffälligem und so beschloss ich einfach mal diese Pace beizubehalten und zu schauen wie lange es gut gehen würde.
Dass irgendwann einmal der „Mann mit dem Hammer“ irgendwo auf der Strecke auf mich warten würde, war mir klar, die Frage war nur wann und wo und vielleicht war ja auch etwas mehr drin als das Minimalziel „nur ins Ziel kommen“ und sogar eine deutlich bessere Zeit als das zweite Minimalziel von: unter 4 Stunden.
Bei Kilometer 12 folgte die Wende im Norden und es ging retour in die Stadt, teilweise durch grüne idylische Stadtalleen, die man so in Chicago nicht ganz so erwarten würde – und in der Entfernung und stetig wieder näher kommend die gewaltige Skyline von Chicago. Auf diesem Teil der Strecke musste ich dann einfach mal kurz eines der vielen einladenden Dixis am Streckenrand besuchen 😉
Zentraler und auffallender Mittelpunkt des Rennens ist der berühmte Willis-Tower, der von überall aus gut und deutlich zu sehen ist. Insgesamt vier mal läuft man auf dieses imposante Gebäude zu, bevor man im Ziel ist. Auf diesem Teil der Strecke zum ersten Mal an diesem Tag.
Dass die Marathonstrecke in Chicago nicht nur aufgrund des unberechenbaren Windes ihre Tücken hat, bemerkt man eigentlich erst beim Laufen je länger die zurückgelegte Strecke wird. Hatte ich noch vor dem Rennen alle Brücken über den Chicago River gezählt und diese aufgrund ihrer eventuellen und vermeintlichen Steigungen und Höhenmeter als zusätzliches Kriterium gedanklich berücksichtigt, stellten sich diese zwar etwas unorthodox zum Laufen dar (da einige Brücken nur aus groben Stahlgittern bestehen, die teilweise mit Teppich ausgelegt waren, um besser darauf laufen zu können), aber keineswegs als große Herausforderung.
Ganz im Gegensatz dazu allerdings standen die unzählbaren Überquerungen und Brücken über die Stadtautobahn, die Highways und die vielen befahrenen Durchzugsstrassen von Chicago, die ich natürlich nicht im Voraus berücksichtigt hatte und die auf die Gesamtlänge doch einige hundert Höhenmeter mit sich brachten – deutlich mehr als vorher von uns angenommen. Je länger das Rennen dauerte umso höher schienen uns diese Brücken zu werden 😉
Bei Kilometer 21,1 zur Halbzeit des Rennens bog ich dann – inmitten den Häuserschluchten von Chicago down Town – ab Richtung Westen. Meine Halbmarathonzeit von knapp 1h42min ließ mich innerlich ein bisschen jubeln: Das lief ja deutlich besser als erwartet und dazu noch irgendwie total locker und leicht.
Die Stimmung entlang der Strecke war riesig und die Zuschauer enthusiastisch – und natürlich fehlten weder die Livebands am Streckenrand noch der obligatorische Elvis-Imitator.
Den nun folgenden Streckenteil kannte ich bereits vom Vortag, da wir Richtung United Center liefen, dem Heimatstadium der Chicago Bulls, wo ich bereits am Vortag zu Fuss unterwegs war, um meine Basketballtickets für das Chicago Bulls Match am Montag abzuholen.
Die Stimmung entlang der Strecke flachte in diesem Teil zwar etwas ab – man merkte eindeutig, dass man etwas ausserhalb des Stadtzentrums unterwegs war. Trotzdem gab es auch hier immer wieder Stimmungsnester und wenn man auch nur kurz die Hand ans Ohr hielt, um den Zuschauern zu signalisieren, dass man sie nicht hört, ließen die sich das natürlich nicht gefallen und machten sofort einen Höllenlärm 🙂
So ging es weiter vorbei an der 25km Marke und beim United Center in einer neuerlichen Wende zurück Richtung Stadtzentrum mit Blick auf den Willistower.
Nach wie vor lief es bei mir unerwartet „rund“ und problemlos und ich begann ganz langsam innerlich mit einer möglichen Endzeit unter 3h30min zu spekulieren, überlegte auch, das Tempo etwas anzuziehen, aber der Gedanke an meine Hüfte und der Umstand, dass diese überhaupt keine Probleme machte (was mich natürlich mehr als glücklich machte), brachte mich gleich wieder davon ab und ich beschloss einfach das derzeitige Tempo zu halten.
Interessant für mich zu sehen war jedoch, wie sehr sich der eigene Fokus unbewusst auch beim Rennen auf eine vorher verletzte Region festsetzen kann. Ich hörte andauernd in mich hinein, spürte nach, was meine linke Hüfte macht und musste mich – trotz der gewaltigen Stimmung rund um mich herum und dem problemlosen Rennverlauf – fortlaufend bewusst ablenken, um den Fokus weg von der linken Hüfte zu schieben. Jetzt verstehe ich viele meiner Patienten noch besser, die mir oft erzählen, dass sie nach Verletzungen die ehemals betroffene Region – obwohl sie gar keine Probleme mehr macht – lange Zeit deutlich sensibler wahrnehmen als alle anderen Körperregionen.
Aber Vera hatte mir zuhause einige Affirmationen und Mantras angeleitet und mit auf den Weg gegeben und so setzte ich unter anderem nun diese dafür ein, meinen grundlos hüftfixierten Fokus zu verändern – und es funktionierte.
Bei Kilometer 30 erfolgte – nach einem weiteren kurzen Besuch eines der zahlreichen Dixies – nochmals eine Wende und es wurde eine weitere kurze Schleife Richtung Westen, Little Italy und im Anschluss zurück durch Chinatown wieder Richtung Willis Tower gelaufen.
Neben der beeindruckenden Kulisse in diesem Viertel fiel hier vor allem aber auch leider der desolate Strassenzustand auf und man musste beim Laufen konzentriert aufpassen in keines der vielen Löcher mitten auf der Strecke zu treten, die äußerst verletzungsgefährlich waren.
Was mir zu diesem Zeitpunkt bereits ebenfalls auffiel, war die Tatsache, dass ich irgendwie nicht gerade die kürzeste und schnellste Streckenlinie gelaufen war, da mir meine GPS-Uhr deutlich mehr zurückgelegte Meter anzeigte als die Streckenmarkierungen entlang der Marathonstrecke, die jeweils alle Meilen bzw. alle 5 Kilometer erfolgte.
Nach Chinatown wendete sich die Strecke dann zum letzten Mal vom Stadtzentrum ab, diesmal Richtung Süden. Es folgte der langweiligste Streckenabschnitt durch ein Industriezentrum und über mehrere Autobahnbrücken, die sich zu immer größeren „Anstiegen“ vor uns auftürmten. So passierte ich Kilometer 35 und ein Blick auf die Uhr zeigte mir, dass ich zwar eine Spur langsamer geworden war, aber alles noch problemlos lief. Ich spielte kurz mit dem Gedanken das Tempo doch noch etwas für die letzten Kilometer etwas anzuziehen, doch da war er dann da: der Mann mit dem Hammer. Bei der Wende im Süden der Stadt und der letzten zu überquerenden Brücke ungefähr 5 Kilometer vor dem Ende war bei mir beim Brückenanstieg plötzlich „der Ofen aus“ und vorbei war es mit der bis dahin schönen lockeren Laufpace 🙂
Den Willis Tower in weiter Ferne und die endlos lange Zielgerade von mehr als 3 Kilometer vor mir, drosselte ich das Tempo deutlich herunter, um nichts zu riskieren. Je näher wir der Stadt kamen, umso mehr stieg die Stimmung entlang der Strecke wieder an, die im Stadtzentrum und im Zielbereich ihren Höhepunkt fand.
Und dann war es auch schon fast geschafft: die letzte Meile und der letzte Kilometer lagen vor mir und ich genoss nun jeden Meter der verbleibenden Strecke. Nachdem ich bereits bei Kilometer 40 feststellte, dass sich eine Zeit unter 3 Stunden 30 Minuten nicht mehr ausgehen würde, nutze ich die verbleibenden Meter für Erinnerungsfotoaufnahmen und versuchte die ganze Stimmung so gut wie möglich in mich aufzusaugen.
Die allerletzten 400m!! Und was kam?
Direkt nach dem Abbiegen ging es für 200m noch einmal eine ordentliche Steigung hinauf über eine Brücke über die Bahngleise in den Park und ich konnte die vielen entsetzten Augen um mich herum sehen und wie sehr sich viele diese 200m zu diesem Zeitpunkt des Rennens hinaufkämpften – für viele die wohl längsten und schwersten 200 Laufmeter ihres bisherigen Sportlerlebens, wie es den Anschein hatte.
Die Brücke runter und links abgebogen war ich dann auf der kurzen Zielgeraden und überquerte nach 42,195m durch Chicago, noch einigen letzten Fotos von der Zielgeraden und dem Finish und offiziellen 3 Stunden 31 Minuten und 48 Sekunden die Ziellinie.
Schlussendlich war ich rundum glücklich und zufrieden, denn diese Zeit und so ein problemloses Rennen hatte ich nach meiner Zwangspause und der nur äußerst kurzen (und Untrainierten nicht anzuratenden) Vorbereitungszeit nicht erwarten dürfen und nachdem meine GPS-Uhr eine von mir gelaufene Gesamtstreckenlänge bei diesem Marathon von 43,78 Kilometer (so viele Meter mehr bei einem offiziellen Marathon bin ich überhaupt noch nie vorher gelaufen – das müssen wohl die einen oder anderen „Foto-Optimierungsmeter“ gewesen sein 😉 ) anzeigte, freute ich mich noch umso mehr über die gelaufene Zeit an diesem Tag.
Ein perfekter Tag, ein für den Tag perfektes Rennen und ein gewaltiges und beeindruckendes Erlebnis in einer tollen Stadt mit unvergleichbarer Skyline.
Auch die Versorgung im riesigen Zielbereich war top und so genoss ich noch kurz die Mittagssonne, bevor ich mich dem ganzen Trubel entzog, mich direkt in unser neben dem Zielbereich befindliches Hotel begab und nur wenige Minuten nach meinem Zieldurchlauf bereits unter der „eigenen“ Dusche stand und meine Füsse im Hotelbett hochlegen konnte.
So wartete ich auf meine Laufkollegen, die ebenfalls tolle Rennen absolvierten, um danach mit ihnen gemeinsam den wunderbaren spätsommerlichen Nachmittag zum Chillen an der Uferpromenade des Michigan Lakes mit Blick auf die Skyline von Chicago zu nutzen.
Fazit: Der Chicago Marathon 2015 war einfach perfekt! Sowohl vom Wetter als auch von der Organisation, dem Flair der Stadt und der Strecke, den Zuschauern und auch meiner persönlichen Performance an diesem Tag.
Ich werde oft gefragt, welcher meiner bisherigen Marathons der World Marathon Majors Serie der schönste und beste war und auch jetzt kann ich nur darauf antworten: Jedes der bisherigen Marathonrennen der WMM Serie, egal ob in New York, Berlin oder Chicago besticht durch sein eigenes Flair, die Organisation, das unglaubliche Zuschauerinteresse und den gewaltigen Enthusiasmus der Bewohner (auch abseits des eigentlichen Marathonrennens in den Tagen davor und danach) sowie die Einzigartigkeit der jeweiligen Strecken durch jeweils tolle Städte und Kulissen mit unterschiedlichen und untereinander nicht vergleichbaren Herausforderungen der Rennstrecken.
Ich bin schon sehr gespannt auf die noch ausstehenden drei Marathons der WMM Serie, die ich in den kommenden Jahren unter anderem plane zu absolvieren. Next Stop: definitiv Tokyo 😀
Aber auch abseits der Majors Serie kann ich jedem Marathonläufer, der einmal ein ganz besonderes Lauferlebnis auf einer Rennstrecke mit perfekter Organisation durch eine gewaltige Stadt mit beeindruckender Skyline absolvieren möchte, den Chicago Marathon uneingeschränkt empfehlen.
Keep on Running,
Doc Tom