Neulich habe ich ein Buch* von einer amerikanischen Ärztin gelesen, in dem es um seelische Gesundheit und Balance geht und musste dabei innerlich schmunzeln, da die Sprache auch darauf kam wie wichtig Weinen ist. Ich kann hier nur zustimmen, denn seit ich denken kann, war ich jemand der sich im wahrsten Sinne des Wortes regelmäßig „ausheulen“ musste bzw. wollte.
So wie das Babys tun, die manchmal einfach nur eine Schulter zum Ausweinen brauchen und keine neue Windel, nichts zu essen/trinken. Sie wollen einfach nur mal alles rauslassen, weil die Eindrücke so viel und überwältigend sind, sie sich über etwas ärgern – was auch immer. Ich habe für mich in meiner Jugend festgestellt, dass es mir gut tat, wenn ich im Bedarfsfall einfach mal ordentlich weinen konnte, alleine in meinem Zimmer sprich sicher und beschützt, einfach für mich. Weinen, wegen gefühlten Ungerechtigkeiten, Liebeskummer oder weil manches vielleicht einfach zu viel auf einmal war. Weinen und sich danach, meist bereits nach kurzer Zeit, so viel besser und erleichtert fühlen.
Wenn man älter wird, weint man dagegen manchmal nicht mehr wirklich oft. Oder versucht es zu unterdrücken. Bei mir funktionierte das nie wirklich gut, außerdem bin ich allgemein wohl mit sehr vielen Spiegelneuronen ausgestattet, denn es reicht, wenn jemand neben mir weint, dass ich ziemlich schnell selbst Tränen in den Augen habe und stark mitfühle. Was ich für mich aber auch im Erwachsenenalter festgestellt habe, ist die Tatsache, dass kleinere „Zusammenbrüche“ an einem sicheren Ort, wo man sich geborgen fühlt, weiterhin mehr als wohltuend und befreiend sein können. Wenn man einfach mal weinen, schluchzen und damit verbunden am ganzen Körper zittern darf, alles loslassen kann, was einen belastet, ärgert, Angst macht oder einfach nur irgendwie stresst. Wie ein reinigendes Gewitter im Sommer, das gar nicht lange dauern muss. Es muss auch gar nicht so oft stattfinden wie ein Gewitter 😉 . Wichtig ist nur, dass man etwas zulassen kann, wenn es notwendig ist. An einem sicheren Ort und mit dem Wissen, dass diese Reinigung durch Tränen und Loslassen von Gefühlen einem gut tut. Das kann alle paar Wochen oder Monate oder Jahre sein, es geht auch gar nicht um die Frequenz, sondern mehr darum, es dann zu tun, wenn einem danach ist.
Als ich darüber also auch in diesem Buch las, tat ich das mit einem innerlichen Dauernicken. Ja, Weinen kann sich großartig anfühlen. Nicht nur bei herzzerreißenden Filmen (schaut euch niemals Hachiko an, wenn ihr nah am Wasser gebaut seid!), sondern einfach, um ein Ventil zu öffnen und Emotionen bewusst herauszulassen. Weil das Leben manchmal einfach überwältigend sein kann. Dafür schaut alles bereits kurze Zeit später schon wieder so viel besser und bunter aus 😉 .
Wer nicht dazu neigt, seine Emotionen über Tränen herauszulassen, wird hierzu vielleicht keinen Zugang haben und das ist auch absolut okay. Dafür klappt es vielleicht im Stadion bei Fußball Spielen oder anderen Sportveranstaltungen in Form von Rufen, Schreien, Mitfiebern oder Schimpfen auf den Schiedsrichter – auch das ist eine Art, Emotionen abzubauen. Wer meine Beschreibungen dagegen nachvollziehen kann und wem es ähnlich geht, sollte in Zukunft bewusst darauf achten, sich in gegebenen Momenten oder zu einem möglichen Zeitpunkt danach zurückzuziehen und seinen Emotionen freien Lauf zu lassen. Alleine, an einem sicheren Ort, einfach für sich.
Falls du dir nicht sicher bist, wie das für dich ist und dich nicht recht „zuordnen“ kannst, gib dir das nächste Mal, wenn du merkst, dass viele heftige Emotionen aufkommen, die dich überwältigen, den Raum, dich diesen zu öffnen. Vielleicht geht es nicht in DEM Moment, da du in der Arbeit oder sonst wo in der Öffentlichkeit ist. Aber nimm dir vor, dir später an diesem Tag oder in dieser Woche dafür Zeit zu nehmen, um für dich zu sein und es – sofern du das möchtest – ungehindert herauslassen zu können. Ob mit Weinen, Schluchzen, Seufzen, einfach nur Tanzen oder bei einer Sportveranstaltung, wo du dir die Seele aus dem Leib schreist – DU entscheidest, was dir gut tut.
Alles Liebe,
Vera
Ich bin 70 und habe eine schwerkranke Ehefrau. Ich pflege sie sicher liebevoll, aber von ihr kommen keinen Emotionen mehr. Gestern sah ich ein mir bekanntes Ehepaar (75) Hand in Hand im Park und plötzlich legte sie ihren Arm um seine Schultern und drückte ihn an sich. Ich mußte weinen bei diesem Anblick. Es war ein glückliches Weinen ob der Liebe in dieser Geste.
Das klingt wunderschön! Danke fürs Teilen und alles alles Gute für Sie und Ihre Frau! <3