Seit der Bikini Body Guide (BBG) der australischen Trainerin Kayla Itsines auf den Markt gekommen ist, wurde ich regelmäßig von Klientinnen und Freundinnen gefragt, was ich davon halte. Und nachdem ich den Guide mittlerweile selbst ausprobiert und die 12 Wochen absolviert habe, möchte ich euch heute meine Meinung dazu verraten.
Der Inhalt
Für alle, die den BBG nicht kennen, hier ein paar Fakten dazu: Der Bikini Body Guide wurde von Kayla Itsines und ihrem Freund Tobi Pearce, ebenfalls Trainer, entwickelt und richtet sich an Frauen. Wie der Name sagt, war er als Programm gedacht, um sich seine Bikinifigur zu erarbeiten, mittlerweile wurde in der Kommunikation aber auch immer mehr auf „Sweat with Kayla“ gesetzt, weil es den meisten Frauen nicht um die Bikinifigur geht, zumindest wenn sie eine Zeit lang trainieren, sondern v.a. um Gesundheit, körperliche und mentale Stärke und durch die starke Community, die u.a. via Instagram aufgebaut wurde auch um das Gemeinschaftsgefühl und wohl auch die Anerkennung der „Kayla Army“, wie sie sich nennen.
Berühmt wurde der BBG u.a. wegen vielbeachteten und ins Auge stechenden Vorher-Nachher-Bildern wie sie u.a. auf Insta, Facebook & Co die Runde machten. V.a. das Formen und Straffen der klassischen „Problemzonen“ wie Bauch, Beine und Po springen einem dabei so gut wie immer ins Auge.
Dass solche teils wirklich krassen Verwandlungen aber nicht alleine durch ein bisschen Gymnastik passieren, versteht sich spätestens dann von selbst, wenn man sich den 12-Wochen-Plan genauer ansieht. Dieser wird auf der Website folgendermaßen kurzbeschrieben: „Effektives Ausdauertraining, Problemzonen gezielt angehen, 189-seitiger Guide, jedes Workout unter 30 Min., erste Ergebnisse schon nach einer Woche.“ Abgesehen von dem Trainingsplan gibt es auch noch einen zusätzlichen Ernährungsplan sowie beides als Bundle und damit preislich etwas vergünstigt. Der BBG allein kostet aktuell ca. 46 Euro (und hat Itsines mittlerweile zur Millionärin gemacht).
Sieht man sich den Guide allerdings dann wirklich im Detail an, so sind die „Workouts unter 30 Min.“ nicht vorhanden, außer man rechnet Warm Up, Cool Down und Co nicht ein. In den 12 Wochen gibt es anfangs außerdem zwar „nur“ zwei bis drei Kraft Workouts mit verschiedenen Schwerpunkten (Full Body, Arms & Abs, Legs usw.) sowie zusätzlich ein paar LISS Ausdauereinheiten (low intensity steady state = Power Walking, Radfahren, lockeres Training am Crosstrainer usw.) plus Stretching und Ausrollen, was sich allerdings in Folge weiter steigert und schlussendlich in den letzten Wochen dann bei drei Krafteinheiten, 4-5 Ausdauereinheiten mit zusätzlichen HIT-Einheiten wie Sprints sowie den Stretching und Ausrolleinheiten mündet. Und das sind also definitiv viele Einheiten. Wer den Guide also wegen den „wenigen, kurzen Workouts“ absolvieren will, der sollte sich das Pensum vorab noch einmal genauer anschauen. Außerdem gibt es auch ein paar Trainingstools, die dafür benötigt werden wie zB Hanteln, ein Medizinball, ein BOSU Ball, Plyoboxen oder andere stabile Gegenstände zum Draufsteigen und Springen sowie eine Matte.
Meine Erfahrungen
So, wo fange ich hier am besten an. Vielleicht beginne ich einfach mal mit dem ersten gescheiterten Versuch. Ich hatte den ersten Plan aus Neugierde gekauft, probiert und nach wenigen Wochen wieder verworfen. Warum? Weil er mich einfach nicht überzeugt hat. Einige Zeit später folgte ein „Update“ und man konnte als ehemaliger Käufer als Goodie den überarbeiteten Plan für einen kurzen Zeitraum kostenlos herunterladen. Neugierig auf die Änderungen habe ich ihn downgeloadet, angesehen, aber selbst nicht mehr ausprobiert. Nachdem ich letztes Jahr u.a. den Plan von Bret Contreras* ausprobiert habe, hatte ich heuer wieder Lust, zur Abwechslung auch mal wieder mehr Bodyweight Training zu integrieren und da fiel mir auch der BBG wieder in die Hände. Und irgendwie wollte ich es – wohl auch wegen der medialen Dauerpräsenz – einfach wissen, was dieser Plan wirklich drauf hat.
Ich möchte euch gar nicht lange auf die Folter spannen und hier jede Woche einzeln erörtern. Fakt war recht schnell: Der Plan 1:1 mit allen Einheiten und Übungen wie sie dort stehen, funktioniert für mich nicht und ich bin auch verwundert, dass dieser so hochgepriesen wird. Nicht weil ich es Kayla Itsines nicht gönne, im Gegenteil, man kann ihr nur gratulieren, was sie daraus gemacht hat und auch das Bestärken ihrerseits von Frauen sich zu bewegen und auch Krafteinheiten zu absolvieren und sportlich aktiv zu sein, um so gesund und stark auch für andere da sein zu können, ist bemerkenswert und eine schöne Mission und Aufgabe. Die einzelnen Übungen in der Form wie sie zusammengestellt sind sowie die AMRAP-Ausführung (es gibt pro Workout zwei Zirkel mit Übungen, wobei jeder Zirkel zwei Mal für 7 Minuten absolviert wird), halte ich in der Form aber einfach für sehr schwierig und bei unsauberer Übungsausführung auch nicht mehr für gesundheitsfördernd.
Ja, Itsines hat immer und überall gesagt, dass ihr Plan für bereits trainierte Frauen ist und eine Basis gelegt sein muss, bevor man damit startet. Aber viele der Vorher-Nachher-Bilder vermitteln einen anderen Eindruck. Wer vorher deutlich übergewichtig war, steht Monate später mit einem Waschbrettbauch und straffer Haut da. Natürlich ist das ein Wahnsinnseffekt und lässt viele darauf hoffen, dass das, was diese Frauen geschafft haben, auch für einen selbst möglich ist. Aber ganz ehrlich: 10, 20, 25 und mehr Burpees, 50 Jump Lunges, 20 Liegestütz mit Sprung kombiniert, 20 Klappmesser & Co sind schon für sehr gut Trainierte eine Ansage und ich habe mich während der Zeit des Guides nicht nur einmal gefragt, wieviele Frauen sich dabei wohl verletzt haben, krank wurden, weil das Immunsystem nach ein paar Wochen hoher Intensität einfach geschwächt war oder wieviele überhaupt einfach frustriert aufgegeben haben.
Selbst die Tatsache, dass es einen eigenen „Pre Workout Plan“ in der überarbeiteten Version gibt, der einen quasi auf den Plan vorbereitet, bringt nur den Trainierten etwas. Ich bin nun schon einige Jahre Personal Trainerin und ich habe verschiedenste Levels an Fitness gesehen, aber ich kenne nicht viele Frauen, die 10 wirklich saubere, richtige Liegestütz machen, zehn schöne Klappmesser schaffen oder mehr als zwanzig Jump Lunges ohne dabei die genaue Ausführung zu vernachlässigen. Im Guide finden sich allerdings Übungen und Wiederholungszahlen wieder, die wirklich beachtlich sind. Hier würde ich gerne einmal Mäuschen spielen und zuschauen, wie die Übungen größtenteils ausgeführt werden. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das immer in gesunder Art und Weise erfolgt. Und ich glaube auch nicht, dass der Pre Workout Plan jemanden in ein paar Wochen auf die Intensität des Programms vorbereiten kann, wenn dieser nicht zuvor schon ziemlich fit war.
Für mich selbst war der Plan in seinem Prinzip vier Mal sieben Minuten nicht die Art und Weise wie ich am liebsten trainiere, zumindest nicht mehrmals pro Woche nach genau dieser Methode. Denn wer gut trainiert ist, schafft – je nach der jeweiligen Übungszusammenstellung der einzelnen Zirkel – mehr als eine Runde an Übungen in den sieben Minuten, was dann unweigerlich zu Überlastungen führt, weil es einfach zu einseitig ist, v.a. wenn sich die Übungen aus Zirkel 1 und 2 teils stark ähneln.
Abgesehen davon ist die Übungsauswahl sehr PUSH-lastig, sprich es sind viele drückende Übungen im Programm, während PULL, also ziehende Elemente vernachlässigt werden, was zu einem Ungleichgewicht führt. Ebenso wundert es mich, dass keine Hip Thrusts, Deadlifts etc. für Gesäß und Beinrückseiten integriert wurden. Dafür gibt es viele am rückenliegende Bauchübungen, die einen zentralen Teil des Programms ausmachen und nicht zu unterschätzen sind für alle, die bereits Probleme mit dem unteren Rücken hatten oder haben. Nachdem ich damals beim ersten Versuch genau aus diesen Gründen aufgehört hatte, weil es für mich einfach zu einseitig war, habe ich es dieses Mal mit entsprechenden Anpassungen durchgezogen und auch anderes ergänzt, um Überlastungsschäden u.Ä. zu verhindern. Ihr könnt mir glauben, ich liebe Burpees & Co und auch Sprünge jeglicher Art machen mir wirklich Spaß, aber ich empfinde die Zusammenstellung dennoch einfach als zu einseitig.
Ich bin mir sicher, das Programm wurde nach bestem Wissen und mit großer Sorgfalt erstellt, aber ich würde es so 1:1 nicht weiterempfehlen. Für ein paar neue Übungsinputs: Ja. Als Grobstruktur in Sinne von zwei, drei Mal pro Woche Krafttraining und allgemein mehrmals pro Woche Ausdauertraining: Ja. Um zu lernen, regelmäßig auszurollen und zu dehnen: Super. Aber als Programm für jemanden, der nicht bereits superfit ist, Übungen sehr kontrolliert und bewusst ausführen kann, eine gute Mobilität in den Gelenken hat, eine starke Bauch- und Rückenmuskulatur hat, selbst merkt, wenn er irgendwo unsauber arbeitet und sich bewusst wieder korrigiert… Hm, ich weiß nicht.
Versteht mich nicht falsch: Ich bin sehr dafür, dass wir alle mehr Bewegung in unseren Alltag bringen. Und bei den allermeisten von uns wird das total unterschiedlich aussehen, weil jeder so seine Präferenzen hat. Aber es ist einfach, jemanden körperlich an seine Grenzen zu bringen und fertig zu machen (siehe Hashtag #deathbykayla), so funktionieren ja auch viele (nicht alle!) Crossfit Boxen und andere Programme, dafür braucht man nicht unbedingt einen Plan, denn wie man sich fertig macht, kann man auch ganz leicht selbst zusammenstellen, indem man Hammerübungen nimmt und diese in hoher Wiederholungszahl aneinander reiht. Interessanter, wenn auch herausfordernder für den Trainer, ist es doch vielmehr, eine ausgewogene Abstimmung an Übungen und Trainingsformen zu finden und zu kombinieren. Mit entsprechenden Regenerationswochen, der Berücksichtigung von gut ausgeführten Basis Bewegungen auf denen alles aufbaut, mit neuen Bewegungsmustern für die Beweglichkeit, mit Faszientraining, Dehnen, Entspannungskomponenten.
Ich schreibe seit vielen Jahren wöchentlich individuelle Trainingspläne für ganz unterschiedliche Menschen und finde einfach, dass nur Vollgas einen nicht weiterbringt. Natürlich ist es herausfordernd, EIN Programm für viele Menschen zu schreiben, welches dann für alle funktionieren soll, weil wir alle unterschiedliche Voraussetzungen haben, aber hier vermisse ich einfach einige Dinge, die aus meiner Sicht wichtig wären, wobei ich auch sagen muss, dass der überarbeitete Plan bereits ein Schritt in die richtige Richtung war und mittlerweile auch eine neue App für das Training im Studio erschienen ist, vielleicht ist es hier schon ausgewogener und besser (v.a. im Hinblick auf die Push und Pull Elemente).
Was auch ein Grund dafür sein könnte, weshalb der aktuelle Plan so angelegt ist, wie er ist, ist das noch junge Alter der beiden Trainer. Die Frauen, die das Programm allerdings absolvieren, sind in vielen Fällen aber nicht mehr 24 Jahre alt und haben wahrscheinlich größtenteils weder die plyometrischen Fähigkeiten (im Sinne der Sprungkraft) einer Basketballspielerin noch haben sie in den allermeisten Fällen einen Job in dem sie sich viel bewegen, sondern verbringen viele Stunden am Tag wahrscheinlich eher sitzend, was Hüften, Gesäß und Rücken nicht gerade stärkt, wie wir wissen. Hier dann mit Klappmesser & Co ranzugehen, braucht schon eine sehr gute Basis, die man nicht in ein paar Wochen aufbaut.
Mein Tipp
Wie dem auch sei, wer den Plan gekauft hat oder bereits regelmäßig absolviert, dem würde ich raten, auf eine wirklich saubere Ausführung zu achten, selbst wenn das einige Wiederholungen weniger bedeutet und im Zweifelsfall auch mal eine Übung zu ersetzen, wenn man merkt, dass sie einfach zu schwierig für einen ist oder bestimmte Muskeln oder Gelenke überlastet. Im Programm wird beispielsweise sehr viel gesprungen und viele denken, dass Springen per se einfach schlecht für die Knie ist. Dem ist aber nicht so, was schlecht für die Knie ist, ist ein valgisches Kniebewegungsmuster, d.h. wenn die Knie nach Innen gehen. Meniskus & Co finden das einfach nicht lustig und melden sich folglich natürlich auch. Deshalb ist es hier ganz ganz wichtig, dass man bewusst und kontrolliert trainiert, auf das eigene Kniebewegungsmuster achtet, die Übung vereinfacht und Muskeln aufbaut, die einen bei der korrekten Ausführung unterstützen und nicht zig Wiederholungen im falschen Bewegungsmuster herunterreißt, denn genau das ist der Weg, wie man sich Verletzungen und Beschwerden holt. Außerdem rate ich dringend dazu, die Stretching Einheiten und v.a. das Ausrollen nicht zu vernachlässigen, gerade wenn dann auch noch laufende HIT Einheiten dazu kommen. Und ich würde auf jeden Fall empfehlen, Übungen wie Deadlifts, Hip Thrusts sowie Pull Übungen für den Oberkörper zu ergänzen.
Wann bringst du einen Plan heraus?
Ich wurde bereits sehr oft danach gefragt und deshalb möchte ich es auch hier noch einmal verlautbaren: Ich habe mittlerweile meinen eigenen Guide erstellt, der sich an gesundheitsbewusste Menschen richtet, die sich effektiv, aber auch gesund bewegen möchten, neben Kraft auch mit Mobility, Faszientraining, Ausdauer & Co sowie Yoga. Ich habe über viele Jahre viele verschiedene Ausbildungen absolviert und habe auf Basis meiner gesammelten Erfahrungen meinen BASICS Guide entwickelt, um das Beste davon in einem facettenreichen, ausgewogenen Plan zu bündeln, da ich weiß, dass sich nicht jeder eine individuelle Betreuung leisten kann oder will und ich auch nicht die Zeit habe, eine sehr große Zahl an Menschen persönlich zu coachen. Hier geht es zu deinem Fit mit Vera Basics Trainingsguide.
Alles Liebe,
Vera
Super Rezension, Vera!
Ich trainiere seit ca. 1 Jahr mit dem bbg Guide und vieles von dem was du sagst, trifft auch meine Einschätzung. Ich will nicht wissen, wie viele Folgeschäden es bei den Anwenderinnen gibt…
Was für mich das große Plus ist: ich kann jederzeit und überall trainieren (hab ich auch schon im Hotel mit Weinflaschen statt Hanteln gemacht 😉
Hi Mariella, Danke für dein Feedback! Ja, das Überall Trainieren können bzw. auch mal Ersetzen können von Trainingstools ist definitiv ein Vorteil. Trainierst du mit dem 1.-12. Wochenprogramm oder mit dem Folgeprogramm ab Woche 12?
Es geht ja darum sich 7min mit diesen Übungen ohne Pause zu beschäftigen und das kann auch ein Anfänger, der zum ersten mal trainiert. Am Anfang dann 2 Liegestütze und weiter zur nächsten Übung. Je fittere man ist, umso eher schafft man die angegebene Anzahlt und später kommt man in den 7min sogar 2x durch.
Ich liebe diese Prinzip und habe damit ganz tolle Erfolge erreicht, 23kg abgenommen und bin richtig fit und stark heute. Mache seit einigen Jahren BBG, BBG2 und Stronger, früher zuhause und heute im Gym.
Liebe Annemarie, es freut mich für dich, dass du eine Trainingsform gefunden hast, die für dich passt und funktioniert. Weiterhin viel Spaß!