Endlich komme ich dazu, euch das aktuelle Buch* von Dr. med. Petra Bracht und Roland Liebscher-Bracht, nämlich FaYo – Das Faszien-Yoga** vorzustellen. FaYo sieht sich als Schlüssel zu mehr Gesundheit, Beweglichkeit und Lebensfreude und hat sich das Ziel gesetzt, über die Heilkraft des Bindegewebes das Wohlbefinden zu steigern, Beschwerden zu lindern. Um das zu erreichen, empfehlen die Autoren 15 Minuten FaYo täglich.
Hierfür haben sie zwei Übungsabfolgen zusammengestellt: den EarthFlow, welcher am Boden ausgeführt wird und den SkyFlow, welcher im Stand absolviert wird. Das Übungssystem besteht aus Bewegungs-, Dehn-, Ansteuerungs- und Kräftigungsübungen kombiniert mit der Eigenmassage der Faszien durch Hilfsmittel wie Faszienrolle und Bälle (hierzu wurde ein eigenes Roll-Massage-Set** produziert). Dazu kommt eine basische Ernährung inklusive Smoothie-Fasten als Intensiv-Kur für den Beginn, welche die körperlichen Veränderungen durch das Programm schneller und positiv unterstützen soll.
Die Autoren sind seit vielen Jahren als Schmerztherapeuten aktiv. Dr. Bracht widmet sich auch der Entgiftungs- und Ernährungsmedizin, während Liebscher-Bracht ursprünglich aus dem Wirtschaftsingenieurwesen kommt und mehrere Kampfkunst-Ausbildungen absolviert sowie eigene WingTsun-Schulen geführt hat. Ihr neues Konzept entwickelte sich aus ihren Erfahrungen, die sie als Schmerztherapeuten und Ausbildner ihrer LNB-Methode für Ärzte und andere Therapeuten gemacht haben und dient v.a. der Vorbeugung, sprich Prävention.
Gut finde ich dabei, dass der gesamte Ansatz ein ganzheitlicher ist, denn es geht in diesem Buch nicht nur um Faszien, sondern auch um Ernährung, die eigene Psyche, das jeweilige Umfeld und weitere wichtige Faktoren, die sich auf unsere Gesundheit und Faszien auswirken. Was die Ernährung angeht, so handelt es sich hier um eine basische Ernährung, sprich Übersäuerung soll vermieden werden. In der Wissenschaft wird das oft sehr kritisch gesehen, weil man dort den Ausdruck der Übersäuerung gar nicht gern hört, in der Praxis empfehlen es viele Therapeuten, weil sie oftmals die Erfahrung machen, dass die Therapien so besser anschlagen. Persönlich halte ich Ernährung für ein sehr individuelles Thema, weil jeder anders auf Lebensmittel reagiert, daher gibt es meines Erachtens nach keinen goldenen, richtigen Weg für alle.
Was ich an dem Buch nicht ganz verstehe, ist die Tatsache, dass die Methode als Faszien-Yoga bezeichnet wurde, während von den Autoren selbst darauf hingewiesen wird, dass es sich eigentlich um kein „echtes“ Yoga handelt. Auch wenn es marketingtechnisch vielleicht sinnvoll sein mag, zur aktuellen Zeit Faszien-Yoga am Cover stehen zu haben, so finde ich es für die Methode selbst schade, weil eine gute Methode sicher auch dann ankommt, wenn der Name nicht einfach nur im Trend ist. Für Yoga fehlen auf jeden Fall einige entscheidende Komponenten, allen voran der Fokus auf die Atmung sowie die innere Haltung. Da ändert auch der Hinweis der Autoren nichts daran, dass es hier im Westen auch noch andere Yogastile gibt, die eher körperlich ausgerichtet sind. Man gewinnt damit einfach den Eindruck, dass das Marketing wichtiger war als eine korrekte Bezeichnung. Was nicht heißt, dass die Methode und Übungen an sich nicht gut sind oder nicht funktionieren. Kurzum: Ich hätte es ehrlicher und treffender gefunden, die Methode nicht als Yoga zu bezeichnen.
Was ich außerdem so nicht unterschreiben würde, ist die Tatsache, dass man mit nur 15 FaYo-Minuten täglich einen krankmachenden Lebensstil, der aus Bewegungsarmut, einseitigen Tätigkeiten, Dauersitzen & Co besteht „ausgleichen“ kann, wie es im Buch plakativ versprochen wird. Mittlerweile gibt es genügend Studien, die sogar zeigen, dass es nicht ausreicht, sich nach 8h Dauersitzen abends ausgiebig zu bewegen, um das Sitzen zu kompensieren. Natürlich wird es einem besser gehen, wenn man wenigstens 15 Minuten am Tag etwas für die eigene Gesundheit macht und gerade wenn man bisher nicht viel dafür gemacht hat, wird man einen deutlichen Unterschied merken. Aber tagtägliches, stundenlanges ungesundes Verhalten 1:1 „ausgleichen“ zu können funktioniert leider nicht. Und es wundert mich ehrlich gesagt, dass die Autoren das so überspitzt darstellen und versprechen.
Wer eine Anleitung für Faszientraining sucht, sei es um leichte Beschwerden zu mildern, (wieder) geschmeidiger und beweglicher zu werden oder um seine Trainingsroutine mit faszienfreundlichem Training zu ergänzen, findet in diesem Buch** aber auf jeden Fall Hintergrundinformationen rund um Faszien und basische Ernährung sowie ein Übungsprogramm als auch Motivation, seine Gesundheit selbst in die Hand zu nehmen und die Verantwortung dafür zu tragen. Das wichtige Thema „gesund alt werden“ wird bereits auf den ersten Seiten abgehandelt, was ich gut finde. Ein Leben lang gesund, schmerzfrei und beweglich zu sein halte ich für ein schönes Ziel. Und dazu können die vorgestellten Übungen auf jeden Fall sehr viel beitragen – Yoga hin oder her. Persönlich würde ich auf jeden Fall empfehlen, nicht nur 15 Minuten am Tag zu investieren, sondern auch die eigenen Gewohnheiten unter die Lupe zu nehmen. Ja, wir müssen im Büro und bei Meetings oft sitzen, da kommt man nicht immer aus. Aber man kann alle 30-60 Minuten kurz aufstehen. Wir können kleinere Wege im Büro zurücklegen anstelle eines Anrufs beim Kollegen, wir können die Stiegen statt den Lift nehmen, in der Mittagspause kurz einen Spaziergang machen und und und. Es sind die kleinen Gewohnheiten, die sich summieren und uns einen guten Dienst erweisen. Aber klar, bevor jemand überhaupt nichts macht, sind 15 Minuten Übungszeit immer noch besser, v.a. wenn sie gezielt ausgeführt werden.
Und damit kommen wir schon zu meiner letzten Kritik: Ich kann mir vorstellen, dass die Übungsanleitungen für manche Übenden, v.a Einsteiger, etwas zu wenig sind und mehr Informationen sinnvoll gewesen wären. Auch wäre es für die Praxis gut gewesen, beide Flows noch einmal je auf einer Seite bildlich darzustellen, damit das Erlernen der Flows erleichtert und so die Compliance unterstützt wird.
Ebenso bei der beigelegten Dvd, welche eine hochwertigere Produktion verdient hätte (auch in Sachen Bild, Ton sowie v.a. Anleitung). Zusätzlich wäre es aus praktischer Sicht sinnvoll und hilfreich, die Faszien-Rollmassage sowie den Earth und Sky Flow jeweils komplett zum Mitmachen darzustellen anstatt Übungen einzeln anwählen zu müssen, welche zudem anders betitelt sind als im Buch. Hier empfinde ich die Videos auf dem FaYo Youtube Kanal als hilfreicher. Über die Ausrolltechnik an sich (langsames Rollen, Rollen über die Kniekehle) kann man diskutieren, hierzu gibt es bekanntermaßen fachlich unterschiedliche Ansichten.
Wer sich das Buch näher anschauen möchte: Hier geht’s zum Buch**.
Fazit: Kein „richtiges“ Yoga, aber gute Übungen fürs Faszientraining und damit mehr Beweglichkeit und gesteigertes Wohlbefinden. Für bisher Unsportliche oder Wiedereinsteiger genauso geeignet und sinnvoll wie für aktive Sportler oder körperlich Schwerarbeitende. Die Anleitungen zu den Übungen hätten v.a. auf der Dvd noch etwas genauer, hochwertiger und benutzerfreundlicher sein können, um die Übungen auch alleine zuhause einfach und schnell zu erlernen.