Locker lassen, loslassen, einfach mal entspannen – das hört sich immer so leicht an, ist aber gar nicht so einfach. Nicht nur in Stresssituationen, sondern bereits im normalen Alltag. Und selbst auf der Yogamatte passiert es irgendwie nicht von selbst.
Beobachte dich einmal selbst. Ja genau, in diesem Moment. Wie angespannt bist du? Sehr? Gar nicht so schlimm? Scanne einmal kurz deinen Körper. Ist deine Stirn entspannt? Deine Wangen? Dein Kiefer? Dein Nacken und deine Schultern?
Meist merken wir ziemlich schnell, dass wir selbst in Momenten, in denen wir uns nicht angespannt fühlen, dennoch mit angespannten Gesichtern herumlaufen. Unser Kiefer kann hier ein Lied davon singen. Aber auch unsere Hände und Finger sprechen oft Bände, sind oft schon fast zu Fäusten geballt und alles andere als locker. Auch unser Bauch muss sich vielfach unterwerfen und zwar nicht um sinnvoll angespannt zu sein und die Rumpfspannung, beispielsweise beim aufrechten Sitzen oder beim Training aufrecht zu erhalten, sondern um in enge Hosen zu passen oder weil wir durch Stress und Anspannung schlichtweg den halben Tag lang nur noch flach und maximal bis zur Brust atmen.
Du erkennst dich wieder?
Dann bist du damit sicherlich nicht alleine. In meiner Arbeit, sei es ganz persönlich 1:1, in meinen Yoga Workshops oder bei Vorträgen & Co bekomme ich immer wieder das Feedback, dass es als schwierig angesehen wird, einfach mal locker zu lassen. Gerade wer sehr zielstrebig ist, steht oft unter Spannung und merkt es dabei mit der Zeit selbst gar nicht mehr, bis man feststellt, dass man auch dann fast nicht mehr loslassen kann, wenn man es eigentlich möchte.
Was du für dich tun kannst
Keine Sorge, wenn es dir auch so geht, du kannst nämlich durchaus wieder für mehr Entspannung und Lockerheit sorgen. Als Erstes hilft es bereits immens, wenn man sich der eigenen Anspannung einmal so richtig bewusst wird. Wenn man diese wahrnimmt und im Alltag seinen Körper immer wieder kurz durchscannt, um sich zu erinnern, hier und da locker(er) zu lassen. Kiefer und Wangen beim Tippen am PC zu entspannen. Die Schultern bewusst wieder absinken zu lassen. Die Stirn samt der Haut zwischen den Augenbrauen und der Haut an den Schläfen zu entspannen, in der eigenen Vorstellung weich und glatt zu streichen. Einfach mal LOS ZU LASSEN.
Sehr gut gelingt diese Körperschulung und Verbesserung der Wahrnehmung auch durch Yoga. Persönlich habe ich die Erfahrung gemacht, dass Yin Yoga hier sensationell gut helfen kann, auch wenn es anfangs gerade für alle, die meist durchwegs anspannen, sehr ungewohnt sein kann, in sämtlichen Positionen einfach mal loszulassen und eben genau NICHTS anzuspannen. Bewusst von den Zehen bis zum Scheitel zu entspannen. Auch die Finger, Handinnenflächen und ganz besonders das Gesicht. Alles darf dabei so entspannt sein als würden zwei Viertel Rotwein ihre Wirkung zeigen 😉 . Meiner Meinung nach ist Yin Yoga dafür ein geniales Werkzeug und damit ihr es auch selbst ausprobieren könnt, habe ich heute eine kleine Yin Yoga Los- und Lockerlass Abfolge für euch 😉
Yin Yoga zum Locker- & Loslassen – Entspannen lernen mit Yoga
Gleich vorne weg: Diese Abfolge richtet sich an alle, die entspannen lernen möchten oder einfach mal wieder eine kleine, kurze Auszeit brauchen. Falls du verletzt oder krank bist, dann besprich bitte vorab mit deinem Arzt, ob du diese Abfolge dennoch praktizieren darfst.
Nutze diese Yin Yoga Praxis ganz bewusst dafür, in jeder der vorgestellten Asanas für mehrere Minuten vollkommen passiv zu bleiben. Ohne Muskelanspannung, ohne Regung, mit geschlossenen Augen. Geh bitte immer nur so tief und intensiv in eine Position, dass du diese auch 20 Minuten halten könntest (nein, wir halten sie nicht so lange, das ist nur ein Richtwert für dich, damit du nicht tiefer gehst als es dir gut tut).
Nimm dir für die Abfolge Hilfsmittel wie Decken, Pölster und einen Yogagurt oder normalen Gürtel zur Hand. Es soll bequem sein, damit du wirklich loslassen kannst und nicht „sicherheitshalber“ doch mehr anspannst als sein müsste. Deine Aufgabe besteht schlichtweg darin, ganz bewusst und kontrolliert so wenig wie möglich anzuspannen. Achte während der gesamten Zeit auch besonders auf dein Gesicht und entspanne deine Stirn, deine Wangen, dein Kiefer. Deine Augen ruhen tief in den Augenhöhlen und sind gut geschlossen. Alles was jetzt zählt, ist das pure Lockerlassen. Loslassen. In die Entspannung eintauchen.
Beginne in einem aufrechten, einfachen Sitz, der für dich angenehm ist und schließe für zwei Minuten die Augen. Atme tief, ruhig und kontrolliert durch, entspanne ganz bewusst dein Gesicht, deinen Nacken, deine Schultern, deinen Bauch, deine Hüften, deine Hände und Finger, Beine, Füße und Zehen. Atme durch die Nase ein und aus, die Ausatmung ist dabei länger als die Einatmung. Atme zB auf 1-2-3-4 ein und auf 1-2-3-4-5-6 oder bis 8 aus. Ganz locker, fließend, ohne Druck. Komme auf deiner Matte an.
1. Schmetterling mit überkreuzten Armen
Der Schmetterling ist eine Vorwärtsbeuge, indem du deine Fußsohlen zusammenbringst und deine Füße weit vom Schritt wegschiebst und dich aus der Hüfte heraus nach vorne beugst. Dein Rücken darf dabei in der Endposition gerundet sein, sodass du nichts anspannen musst. Überkreuze deine Arme und lege deine Hände auf deinen Knien auf. Vielleicht magst du deine Oberschenkel auch links und rechts mit Kissen unterstützen, um sie komplett loslassen zu können.
Bleibe für 2 Minuten passiv, regungslos und voller Hingabe in dieser Position und wechsle dann für weitere zwei Minuten die Armhaltung, indem du das Überkreuzen der Arme auch mit dem anderen Arm vorne ausführst. Lass in der Position alles los, entspanne Hüften, Rücken, Schultern, Kopf, Gesicht. Atme ruhig und gleichmäßig.
Komm dann nach den insgesamt vier Minuten in die Zwischenentspannung, indem du dich auf den Rücken legst und den sogenannten Repound Effekt nachspürst, der durchaus intensiv ausfallen kann. Lass deine Arme und Beine zur Seite fallen und spür einfach nach. Bewerte nicht, beobachte nur, wie sich dein Körper und Geist anfühlen. Nimm wahr, wie du zur Ruhe kommst. Bleibe für ein bis zwei Minuten in der Zwischenentspannung.
2. Beinrückseitendehnung mit Gurt
Für diese Asana verwendest du entweder einen Yogagurt oder einen normalen, längeren Gürtel. Falls du keinen Gurt hast, der sich feststellen lässt, kannst du den Gurt auch mit den Händen halten. Ansonsten stelle den Gurt fest, sodass er für dich und deine Beweglichkeit passt und komm in den Single Leg Raise samt Gurtbefestigung am Kopf. So kannst du in dieser Position komplett loslassen und entspannen. Achte bitte darauf, dass du dein Knie dabei nicht überstreckst. Ansonsten gilt auch hier: Loslassen, nichts festhalten. Alle Muskeln entspannen, die du entspannen kannst.
Bleibe pro Bein für 3 Minuten in der Position und komm danach zum Nachspüren wieder für zwei Minuten in die Zwischenentspannung in Rückenlage.
3. Der kuschelnde Frosch
Für diese Position ist ein festes Kissen oder eine dicke, zusammengerollte Decke eine gute Unterstützung für den Oberkörper. Ich verwende dafür gerne die Hilfsmittel von Lotuscrafts*, weil mir diese gute Dienste erweisen und sie die Yin Yoga Praxis sehr angenehm machen. Zielgebiet beim Frosch sind unsere Adduktoren, sprich Oberschenkel Innenseiten. Aber dabei darf es kuschelig fein sein, also nutze deine Unterstützung und mach es dir bequem 🙂 .
Nach 3 Minuten im Frosch kommst du wieder zum Nachspüren für eine Minute in die Zwischenentspannung in Rückenlage.
4. Das schlafende Reh
Auch für das Reh ist ein großes Hilfsmittel zum Oberkörper Ablegen eine gute Wahl, weil man so einfach noch besser loslassen kann. Die Position der Beine ist wie bei einem Z-Sitz, spürbar wirksam ist diese Asana im Gesäßbereich des vorderen Beines, v.a. wenn man sich nach vorne neigt. Bleib pro Bein für 3 Minuten in der Position und komm danach für zwei Minuten in die Rückenlage. Zwischenentspannung.
5. Der Sattel mit Rückbeuge
Bei dieser Asana ist Vorsicht geboten, denn nicht jedes Hüftgelenk und damit nicht jedes Knie findet diese Position gut, je nach persönlicher Anatomie. Daher gilt: Nur wer gut zwischen seinen Knien sitzen und sich relativ entspannt nach hinten auf das direkt nach dem Gesäß platzierte Hilfsmittel aufliegen kann, sollte in die hier gezeigte Position gehen. Alle anderen setzen sich mit dem Gesäß am besten auf ein Hilfsmittel wie einen festen Polster, ein, zwei dicke Bücher oder einen Yoga Block und bleiben aufrecht sitzen. Zielgebiet sind die Oberschenkel, wer abgelegt ist, hat zudem noch eine Rückbeuge der Wirbelsäule und Herzöffnung dabei. Aber wie geschrieben muss das nicht sein. Wem diese Position nicht gut tut, der bleibt lieber auf dem Hilfsmittel sitzen und kann dabei auch vorsichtig versuchen den Oberkörper in eine leicht nach hinten geneigte (aber nicht abgelegte) Haltung zu bringen. Die Position wird für drei Minuten gehalten. Versuch auch wenn es ungewohnt ist, auch hier loszulassen. Körperlich und geistig. Wenn es dir schwer fällt, atme ein und sag dir LASS, atme aus und sag dir LOS. Lass. Los. Lass. Los. Lass. Los.
Im Anschluss komm zur Schlussentspannung in Savasana, die Totenstellung. Leg dich dafür in Rückenlage, deine Beine fallen auseinander, deine Arme liegen seitlich vom Körper, deine Handflächen schauen nach oben. Bleib für mindestens fünf Minuten in dieser Position (gerne unter einer Decke, damit du nicht auskühlst) und entspanne dich von Kopf bis Fuß.
Wenn es dir alleine schwerfällt, nutze eine geführte Meditation (ich habe hier verschiedene Meditationen als MP3s aufgenommen). Falls du gerne deine Chakras einbeziehen möchtest, könnte dir hier auch meine Minddrops Chakra Meditations Cd* eine Hilfe sein, da hierbei auch immer eine Tiefenentspannung angesagt wird.
Nimm dir danach Zeit, um langsam zurück zu kommen. Bitte lass nach dieser Praxis 15 Minuten verstreichen, falls du vor hast, in den Straßenverkehr einzutreten, durch die tiefe Entspannung ist man nicht sehr schnell was das Reaktionsvermögen angeht.
Am besten, du machst diese Praxis abends vor dem Schlafengehen, so kannst du danach direkt ins Land der Träume gleiten. Und dich dort weiter fallen lassen. Ganz locker und entspannt.
Viel Ruhe & Entspannung beim Üben!
Alles Liebe,
Vera
P.S.: Mehr Yin Yoga Abfolgen, Hintergrundwissen und Tipps findet ihr bei Bedarf auch in meinem Yin Yoga Guide für Einsteiger.