Zum Thema Dehnen gibt es ja verschiedenste Meinungen und Studien. Persönlich hat es mir von Kindheit an immer gut getan und daher habe ich es auch seit jeher in irgendeiner Form berücksichtigt, egal ob als normales Stretching, dynamisch wie beim Turnen oder später dann beim Yoga. Auch in unserer Praxis sehen wir ganz klar den Trend, dass jene, die regelmäßig dehnen meist weniger Beschwerden haben bzw. bestehende oftmals rasch lindern können (auch wenn das Dehnen an sich dabei individuell unterschiedlich ausfallen kann, also teils statisch, teils dynamisch, teils Yang, teils Yin Yoga). Experience-based würden wir also sagen: Ja, Dehnen bringt etwas. Nicht nur was die Geschmeidigkeit, Gelenkigkeit und Beweglichkeit angeht, sondern darüber hinaus auch als Entspannungseinheit um zur Ruhe zu kommen. Deshalb stelle ich euch heute Stretching Übungen für Läufer und andere Ausdauersportler mit Fokus auf die Beine vor, die meiner Meinung und Erfahrung nach äußerst effektiv und wohltuend sind 🙂 . Jede Position könnt ihr dabei für 20 bis 30 Sekunden lang halten und bei entsprechender Zeit auch zwei bis drei Mal wiederholen. Achtet bitte außerdem immer darauf, tief und ruhig zu atmen und nicht die Luft anzuhalten. Falls ihr in eine Stressatmung verfallt, ist das ein Zeichen dafür, dass die Dehnung zu tief und intensiv ist. Dann nehmt umgehend Intensität heraus und lasst euren Atem wieder bewusst und achtsam fließen. Alles klar? Dann würde ich sagen, los geht’s 😉 .
Stretching – Übungen für Läufer & Ausdauersportler
Gerader Single Leg Raise mit Yogagurt/Gürtel/Handtuch Ein Bein bleibt ausgestreckt und gerade am Boden, während das andere Bein mit einem Gurt ausgestreckt (oder auch ganz leicht im Knie gebeugt) gerade zum Oberkörper hin gedehnt wird. Die Fußspitze wird dabei angezogen, die Ferse schiebt vom Körper weg. Zielgebiet ist hier v.a. der hintere Oberschenkel, die sogenannten Hamstrings. Single Leg Raise mit Yogagurt/Gürtel/Handtuch nach Außen Als nächstes erfolgt die Dehnung nach Außen, was die Dehnung auch in der Beininnenseite spürbar macht. Wichtig hierbei: Die Hüften sollten möglichst parallel bleiben, sprich die Hüfte des ausgestreckten Beines sollte sich nicht durch das Beinöffnen nach Außen verdrehen. Falls das passiert, kann man hier mit der Hand der gleichen Seite leicht an der Hüfte haltend bzw. kontrollierend gegensteuern. Auch bei der Öffnung nach Außen schiebt die Ferse vom Körper weg, die Fußspitze zieht zum Körper hin. Das Knie sollte dabei zu keinem Zeitpunkt durchgedrückt werden (das ist v.a. für alle wichtig, die hypermobile Gelenke haben, hier bitte bei dieser Übung aufpassen, dass ihr das Knie nicht überstreckt). Single Leg Raise mit Yogagurt/Gürtel/Handtuch nach Innen Im Anschluss wird das Bein über die Mitte nach Innen gedehnt. Hierbei kann es helfen, den Gurt nur mit der diagonalen Hand zu greifen, falls man ansonsten nicht so gut in die Dehnung kommt. Auch bei dieser Variante ist es wichtig, dass die Hüften am Boden und die Taille gerade bleiben. So ausgerichtet spürt man auch rasch eine Dehnung an der Beinaußenseite. Ausfallschritt mit Twist Beim Ausfallschritt sollte der Fußrücken des gestreckten Beines am Boden aufliegen und das Sprunggelenk des vorderen Beins unterhalb des Knies sein. Im Gegensatz zu einem normalen, geraden Ausfallschritt drehen wir bei dieser Variante den Oberkörper zum abgewinkelten vorderen Bein auf und greifen mit dem Arm dieser Seite um unsere eigene Taille, um den Twist zu intensivieren. Der Blick geht dabei ebenfalls leicht nach hinten. Wichtig: Nicht zu schnell in die Position gehen, immer schön bewusst und achtsam bleiben und langsam vorgehen! Warum es wichtig ist, unsere Hüften zu dehnen? 1. Weil wir sehr viel und lange sitzen. 2. Weil steife, unbewegliche Hüften unsere Knie belasten können, denn wenn hier keine Mobilität gegeben ist, geht jegliche Bewegung zu Lasten des nächsten Gelenks, sprich nach oben Richtung Rücken/Wirbelsäule oder nach unten Richtung Knie. Diese müssen es dann „richten“ und kompensieren, was auf Dauer natürlich nicht gutgehen kann. Eidechse Für die Eidechse kommen wir dann im Ausfallschritt auf die Fußaußenkante des vorderen Beines und fördern so nicht nur die Mobilität im Sprunggelenk, sondern kommen auch schön an unseren Piriformis heran, welcher ein Teil unserer Gesäßmuskulatur ist und bei Läufern gerne einmal Beschwerden macht. Der Piriformis freut sich daher über Dehnungen wie diese genauso wie über das Ausrollen mit einem harten Ball. Halber Spagat Diese Dehnung zielt wiederum auf die Beinrückseite (Hamstrings und Waden) ab. Das vordere Bein sollte weitgehend gestreckt, aber nicht durchgedrückt sein, der Rücken so gut es geht gerade. Als Hilfsmittel bei Problemen mit der Vorwärtsbeuge kann man dabei auch zwei Blöcke einsetzen, auf denen man die Hände platziert, was das Ganze ein bisschen erleichtert. Die Zehen des ausgestreckten Beins ziehen wie immer Richtung Körper, die Ferse wird gegen den Boden gedrückt. Stehende Grätsche Auch hier wollen wir die Beinrückseite, aber auch die Beininnenseite (Adduktoren) ansprechen. Im Stehen kommen wir dafür mit einem großen seitlichen Schritt in die Grätsche und beugen uns dann von der Hüfte aus mit dem Oberkörper nach vorne. Wer mag, kann auch hier wieder Hilfsmittel wie Blöcke verwenden, falls der Boden noch sehr weit weg sein sollte und eine breitere Grätsche keine Option ist. Auf der Stelle laufender Hund Hierfür kommen wir aus dem Vierfüßlerstand nach oben und versuchen abwechselnd ein Bein zu strecken, so als würden wir am Platz laufen. Die Hände und Arme schieben dabei gestreckt (aber nicht im Ellbogen überstreckt) vom Boden weg. Hauptzielgebiet ist unsere Beinrückseite mit Hamstrings und Waden, aber auch der Rücken bekommt einen angenehmen Stretch ab und die Oberkörper Vorderseite wird ebenfalls gedehnt. Kleines Kamel Um die Vorderseite noch mehr zu öffnen und auch eine Dehnung der Oberschenkel (Quadrizeps) sowie der Hüften und des Oberkörpers zu erwirken, gehen wir ins kleine Kamel. Das Gesäß ist bei dieser Übung aktiv und schiebt nach vorne, um so noch mehr Spannung und Dehnung auf die Vorderseite zu bringen. Happy Baby Eine kleine Entspannung zwischendurch, um die Hüften zu öffnen, die Beinrückseiten und auch den unteren Rücken zu dehnen. Die Fußsohlen werden dabei von Innen (!) gegriffen, die Beine selbst sind weit geöffnet. Wer mag, kann im Happy Baby auch leicht von rechts nach links schaukeln. Wichtig: Der untere Rücken sollte am Boden aufliegen bzw. sollte danach gestrebt werden ihn abzulegen. Schnürsenkel im Liegen Als nächstes werden die Beine überschlagen, um wieder die Gesäßmuskulatur samt Piriformis zu dehnen. Wer es intensiver möchte, kann den Schnürsenkel auch aufrecht sitzend praktizieren. Bei anatomisch bedingt wenig externer Rotation aus dem Hüftgelenk empfiehlt es sich dabei auf jeden Fall, auf einem Block zu sitzen, um so leicht erhöht zu sein und den Meniskus im Sitzen zu schonen. Grätsche mit seitlichem Stretch Um auch die Flanken mit zu dehnen, sind seitliche Stretches von Vorteil. Zudem freuen sich die Adduktoren und Beinrückseiten. Grätsche mit einseitiger Vorwärtsbeuge Außerdem macht es für die Rückenstrecker Sinn, sich zudem auf jeder Seite gerade nach vorne zu beugen. Sanfter Twist im Liegen Zum Abschluss gibt es einen sanften Twist in Rückenlage, bei dem das obere Bein angewinkelt, leicht überschlagen und zur anderen Seite Richtung Boden gebracht wird. Dabei ist es hilfreich, den Oberschenkel mit der Hand zu beschweren. Die diagonale Schulter bleibt dabei auf dem Boden, der Kopf dreht zu dieser Schulter. Der Twist erfolgt aus der Wirbelsäule. Achtung bitte bei bestehenden oder wiederkehrenden ISG-Beschwerden: Hier sollte man behutsam ausloten, wie tief die Dehnung gut tut. In der Praxis habe ich schon beides erlebt: Menschen mit Beschwerden, denen genau diese Übung mit tiefer Dehnung extrem hilft und gut tut sowie Menschen, die hier lieber nicht zu tief gehen sollten, um die Beschwerden nicht herauf zu beschwören, aber von einem sanften Stretch profitieren. Hier lohnt es sich also – mit ISG-Vorgeschichte – vorsichtig herauszufinden, wie viel Dehnung einem selbst gut tut. Natürlich gibt es noch einige weitere gute Dehnübungen, v.a. für den Quadrizeps. Aber diese schauen wir uns ein anderes Mal genauer an 😉 . Jetzt heißt es erstmal: Ausprobieren! Am besten mit ruhiger Musik, die ihr gerne hört 😉 Ich freue mich, wenn euch die Übungen gefallen und gut tun! 😀 Alles Liebe, Vera